Blitz kehrt heim
lieben Freunde: Herr Volence, Herr Dailey und Alec Ramsay.“
Der junge Mensch verneigte sich höflich und sagte mit sanfter, deutlicher Stimme: „Ich freue mich sehr, daß Sie uns die Ehre Ihres Besuches geben!“ Danach verließ er das Zimmer mit anmutigen Schritten.
Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, sagte Volence: „Er spricht ja ein ausgezeichnetes Englisch, Bruce, er ist wohl schon lange bei dir?“
„So lange wie ich selbst im Lande bin“, antwortete Coggins. „Ich hatte mich damals kaum hier niedergelassen, als mich einer meiner Bekannten, ein Kaufmann, der mit seinen Waren viel durch die Wüste reiste, fragte, ob ich wohl Raj in Obhut nehmen würde, solange er unterwegs war. Raj war ungefähr drei Jahre alt, er war nicht sein Sohn, aber er liebte ihn wie einen solchen. Er hatte ihn auf einer seiner Wüstenreisen als ganz kleines Baby verlassen in einer Oase gefunden. Offensichtlich war das Kindchen dort ausgesetzt worden. Sein guter Stern wollte, daß mein Freund es noch lebendig auffand und mit sich nach Haribwan nahm.“
„Und dann ist Raj bei Ihnen geblieben?“ fragte Henry.
„Ja“, erwiderte Coggins. „Aber das ist eine traurige Geschichte, denn mein Freund kehrte von jener Reise nicht mehr zurück. Seine Karawane wurde von räuberischen Beduinen überfallen, und nur wenige hatten das Glück, zu entkommen.“
„Hast du denn nie etwas über die Herkunft des Kindes erfahren?“ fragte Volence.
„Nein“, antwortete Coggins. „Ich weiß nur, daß es in gute, teure Tücher gewickelt war, als mein Freund es fand, der Beweis dafür, daß seine Eltern wohlhabende Leute gewesen sein müssen.“ Coggins hielt inne, reichte Henry eine Schüssel mit Fleisch und fuhr dann fort: „Raj fühlt sich glücklich bei mir, davon bin ich überzeugt. Ich habe ihn unterrichtet und viel Freude mit ihm gehabt, weil er so leicht auffaßt. Ich habe ihm auch erzählt, wo und wie man ihn gefunden hat; er weiß, daß leider keine Möglichkeit besteht, etwas über seine Eltern in Erfahrung zu bringen. Er lebt zufrieden; trotzdem vermute ich, daß er bei seinen Landsleuten immer wieder Erkundigungen einzieht, und das ist ja auch natürlich.“
Henry leerte sein Glas mit Obstsaft und fragte dann nachdenklich: „Sind eigentlich solche räuberischen Beduinenstämme, wie Sie sie erwähnen, heutzutage noch am Werk?“
„Ja, leider, Henry, und ich fürchte, sie werden es immer bleiben“, erwiderte Coggins. „Ich werde Ihnen etwas von diesen Stämmen erzählen, denn Sie müssen darüber im Bilde sein.“ Er schob seinen Teller fort und nahm seine Brille ab. „Die eigentlichen Araber“, fuhr er fort, „sind die Beduinen, die sich selbst als ,das Volk mit den Kamelen‘ bezeichnen. Manche Stämme sind im Lauf der Jahrhunderte in den fruchtbaren Teilen des Landes, nämlich im Norden, Westen und Süden, ansässig geworden, Reiche sind entstanden und wieder vergangen. Jedoch im Osten, in den unfruchtbaren Einöden der Rub’al Khali, der Großen Arabischen Wüste, ist der Beduine derselbe geblieben, der er von Urväterzeiten her war. Er ist kein zigeunerhafter Landstreicher, der aus reiner Lust am Umherstreifen als Nomade lebt, sondern er ist gezwungen zu wandern, weil er Weideland für seine Kamele, Pferde und Ziegen braucht und weil er Gebiete, in denen er jagdbares Wild findet, suchen muß. Dabei kommt es natürlich gelegentlich zu Zusammenstößen mit anderen Stämmen, die zu Feindschaft führen. Und dann werden die feindlichen Stämme verfolgt und bei jeder sich bietenden Gelegenheit überfallen. So seltsam das für eure Ohren klingen mag — der Überfall feindlicher Stämme gilt bei den Beduinen als eine der wenigen Beschäftigungen, die eines Mannes würdig sind. Ein alter arabischer Dichter er hat einmal geschrieben: ,Unsere eigentliche Aufgabe auf dieser Welt ist es, sich in kriegerischen Taten zu bewähren, Überfälle auf unsere Feinde, unsere Nachbarn, sogar auf unsern eignen Bruder zu unternehmen, falls wir keinen andren, unsres Angriffs würdigen Menschen finden’.“ Coggins leerte sein Glas und fuhr fort: „Der Beduine, sein Kamel und sein Pferd sind die Herrscher der Wüste. Seine eigene und die Zähigkeit und Ausdauer seiner vierbeinigen Gehilfen haben es ihm ermöglicht, unter Bedingungen zu leben, denen alle andren Wesen erliegen. Und so lebt er, wie es seine Vorväter taten, in Zelten aus Kamel- oder Ziegenfellen und läßt seine Tiere auf denselben Weidegründen weiden wie
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