Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
ich.
»Seit zwei Wochen«, sagte Sabine feierlich.
Das beruhigte mich ein bisschen, denn meine letzte Erinnerung an einen Mann an Sabines Seite war verschwommen mit dem Namen
Andreas verbunden. Oder Thomas? Definitiv nicht Holger. Ich war also nicht altersdement, weil mir der Name nichts sagte. Sabine
hatte einfach malwieder innerhalb weniger Tage den Mann ihres Lebens gewechselt. Der Letzte hatte wie lange gehalten …?
»Diesmal ist es der Richtige«, sagte Sabine.
»Ich hoffe es für dich«, entgegnete ich matt. »Was wollt ihr in Patagonien?«
»Wir wollen die Natur mit allen Sinnen erleben.«
In meinem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken los. »Was heißt das?«
»Trekking. Mit Rucksack und Zelt und dann ab in die Pampa.«
Ich war unfähig, zu antworten. An Sabines Füßen sah man grundsätzlich High Heels, seit sie laufen konnte. Sie trug ausschließlich
Markenklamotten, und zwar first hand. Sie wusch sich jeden Tag zweimal die Haare, färbte sie wöchentlich und ging alle acht
Tage zur Maniküre, Pediküre und zur Kosmetikerin, die ihre ohnehin samtige Gesichtshaut mit feinst zermahlenem Muschelkalk
aus den Sedimenten eines prähistorischen Meeres abschliff. Sie hatte seit der achten Klasse nichts mehr getragen, das schwerer
als zwei Kilo war, denn immer fand sich ein Typ, der ihr den Tornister oder später im Studium die Tasche schleppte. Sie hatte
seit dem Sportunterricht, dem sie meist mit fadenscheinigen Entschuldigungen fern blieb, keine körperliche Ertüchtigung mehr
betrieben. Der Gang in die Sauna und das Abrubbeln des Körpers mit einer Massagebürste waren das Äußerste, das sie sich in
dieser Hinsicht zumutete. Sie hatte niemals in einem Zelt übernachtet und öffnete selbst im Winter das Fenster ihres Innenstadt-Penthouses
nur, wenn sie sich vorher davon überzeugt hatte, dass das Moskitonetz lückenlos und fest im Rahmen saß.
»Trekking«, murmelte ich fassungslos.
»Wir wollen unsere Zivilisationsfesseln ablegen und wieder ein Teil der Natur werden«, schwärmte Sabine.»Den Wind und den Regen im Gesicht spüren, ein Gefühl für Dimensionen gewinnen, indem wir alle Distanzen aus eigener Kraft
zurücklegen und uns ganz auf uns selbst und unseren Platz im Kosmos besinnen. Wir sind alle Kinder derselben Erde, Lulu. Wir
können nur überleben, wenn wir uns dessen wieder bewusst werden. Diese Reise wird eine Offenbarung.«
Das fürchtete ich auch.
»Und jetzt verstehst du auch, warum es so ein glücklicher Zufall ist, dass du die nächsten Wochen nicht fliegen darfst. Du
kannst meine Wohnung hüten und dich um Sergeant Pepper kümmern. Ich wüsste ja sonst gar nicht, wohin mit ihm.«
Sergeant Pepper war Sabines Hund.
»Sabine, meinst du nicht, dass diese Sache mit dem Naturerlebnis ein bisschen, äh, übertrieben ist? Fang doch erst mal hier
in Deutschland mit einer Wanderung an, um zu sehen, ob dir das überhaupt liegt …«
»In Deutschland wandern?« Sie sah mich an, als hätte ich ihr vorgeschlagen, in meinem Klo nach Lachs zu angeln. »Die Wege
sind breit wie Straßen, an jedem Baum findest du eine Markierung, und ständig laufen dir Wandergruppen aus der Eifel in Kniebundhosen
und karierten Hemden über den Weg.«
Diese Erkenntnisse musste sie von Holger haben, denn Sabine ist seit Jahren nicht mehr aus einer städtischen Agglomeration
herausgekommen. Ein Spaziergang mit Sergeant Pepper am Rhein oder im Hofgarten war das Äußerste, das sie in Sachen Naturerlebnis
zu bieten hatte.
»Und zelten? Versuch es doch erst mal hier …«
»Ach, Lulu, das ist ja lächerlich«, sagte Sabine mit einem Gesichtsausdruck, als müsste sie demnächst auf der Verkehrsinsel
am Mörsenbroicher Ei, Düsseldorfsvermutlich verkehrsreichster Kreuzung, in einem Kunstfaser-Iglu übernachten. »Hier gibt es ja nur Campingplätze mit eingeteilten
Parzellen und Stromanschluss und einem Waschhaus mit heißer Dusche. Das ist doch kein echtes Camping. Wenn schon, dann soll
es gleich richtig sein.«
Unsere Champagnerflöten waren inzwischen leer. Zusammen mit den Medikamenten, der Müdigkeit, die mich nach der heißen Suppe
überkam, und meinem geschwächten Zustand hatte das eine Glas mir bereits einen leichten Schwips beschert, aber angesichts
der Neuigkeiten fühlte ich das dringende Bedürfnis, weiterzutrinken. Wir leerten die Flasche, während Sabine mir von Holger,
dem wunderbarsten Mann der Welt, erzählte, und schliefen irgendwann
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