Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
Prolog
Endlich! Wie lange habe ich darauf gewartet, und nun bin ich nur noch wenige Meter von meinem Ziel entfernt. Hinter dieser
Tür, ach, was sage ich, hinter diesem Portal ist er und erhält in diesem Moment die Nachricht von meiner Ankunft. Er wird
sich wundern, aber dann wird seine Neugier siegen. Jeder in der Branche weiß, wie neugierig er ist.
Aha, der Privatsekretär oder Assistent, oder wie immer sich der junge Mann, der die Reinkarnation eines olympisch gestählten
antiken Griechen sein könnte, nennen mag, kehrt zurück. Mit einer einladenden Geste fordert er mich auf, ihn zu begleiten.
Ich neige huldvoll den Kopf, lächle reserviert und folge ihm. Innerlich vollführe ich Luftsprünge, schreie vor Erwartung,
zittere am ganzen Körper. Unsichtbar. Außenstehende sehen nur eine eher zu klein geratene Frau mit einem etwas zu dicken Hintern
und einer viel zu großen Nase, die auf unglaublich hohen Absätzen erhobenen Hauptes direkt zum großen Meister geführt wird.
Und da ist er. Sein silbriger Zopf ist das Erste, was mir ins Auge fällt, dann dreht er sich um. Der hohe, steife Kragenlässt seine Kopfbewegungen ein wenig schildkrötenhaft und eckig wirken. Karl erblickt mich und kommt mit ausgestreckten Armen
auf mich zu. Schnell drücke ich auf den Auslöser des Fotoapparates, der, in einem Kugelschreiber versteckt, diesen magischen
Moment festhält und in kleine schwarz-weiße Pixelchen zerlegt. Mehr als Schwarz und Weiß benötigt man bei diesem Mann nicht.
Und dann geschieht es. Eine Bewegung im Hintergrund lenkt meine Aufmerksamkeit auf den Mann, mit dem Karl eben noch gesprochen
hatte. Es ist, als würde mein Blut durch einen Eiswürfelbereiter fließen, um dann in den Adern leise zu klirren. Diesen Mann
kenne ich besser, als mir lieb ist. Niemals hätte ich allerdings erwartet, ihn hier zu treffen, denn was zum Teufel hat das
Düsseldorfer Landeskriminalamt auf einer Modenschau in Paris zu suchen? Woher wissen die überhaupt, dass ich heute hier bin?
Ist der Kerl mir gefolgt? Nein, es muss eine andere Erklärung geben. Leider habe ich jetzt keine Zeit, mich mit dieser Frage
zu beschäftigen, denn jetzt zählt nur die Flucht.
Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen.
Eins
Ein letzter Blick zur Uhr bestätigte, was ich schon wusste: Es wurde Zeit, dass ich zum Flughafen kam, aber ich genehmigte
mir selbst – und dem geradezu verboten gut aussehenden Typ am Tisch nebenan – noch zwei Minuten. Wenn er bis dahin nicht den
Mut aufbrachte, mich anzusprechen, hatte er eben Pech gehabt.
»Entschuldigung, kennen Sie sich in der Stadt aus?«, fragte er prompt. Na bitte, geht doch!
Der Stadtplan, den er seit zehn Minuten studierte, lag falsch herum. Aber ich verzieh es ihm, denn sein Anzug war von Brioni
und die Krawatte von Vitaliano Pancaldi. Der Dress hatte mindestens dreitausend Euro gekostet. Der Chronograf (vulgo: Armbanduhr)
war einer, von dem hochglänzende Zeitungsanzeigen behaupten, er eigne sich zur Gründung einer eigenen Tradition. Seine Schuhe
waren handgenäht. Nein, ich hatte mich nicht unter den Tisch bücken müssen, um das zu sehen, denn er hatte ein Bein über das
andere geschlagen und wippte mit dem rechten Fuß genau in meinem Blickfeld auf und ab.
»Ja«, erwiderte ich mit einem kurzen Nicken und einem kühlen, eiligen Lächeln. Ich begann, mein Prada-Portemonnaie aus der
Prada-Handtasche zu kramen. Ichging selbstverständlich davon aus, dass mein Nachbar das dezent geprägte Label zur Kenntnis nahm, dafür hatte ich die Handtasche
schließlich extra auf diese Seite des Tisches geholt.
»Können Sie mir vielleicht sagen, wie ich am besten zur Accademia komme?«
Anfänger, dachte ich, sagte es aber natürlich nicht. »Am besten nehmen Sie die Eins.«
Seine Augenbrauen zuckten hoch. Hübsche, schön geschwungene Augenbrauen, korrekt gestutzt und ordentlich gekämmt, nicht dieser
Wildwuchs, den manche Menschen im Gesicht trugen, als gäbe es weder Scheren noch Pinzetten oder überhaupt den aufrechten Gang.
»Das Vaporetto. Linie Eins. Von San Marco zur Accademia. Schneller geht’s nicht.«
Ich unterstrich das Gesagte mit einem Fingerzeig in Richtung Anleger. »Da herum.«
Bei der Geste rutschte der Ärmel meines Prada-Blazers hoch und enthüllte nun meine Armbanduhr, für die hochbezahlte Supermodels
Werbung machen. Damenuhren wurden allerdings nie mit der Gründung einer Tradition beworben, denn die Hauptzielgruppe
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