Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
Danny-Benny bei uns angekommen. »Hey, Süße. Ich dachte mir, ich hole dich ab. Hast du Lust auf Gesellschaft?«,
nuschelte er um ein Kaugummi herum.
Jasmin drückte mir einen Kuss auf die Wange. »Bis Freitag, Süße.« Dabei zwinkerte sie mir verschwörerisch zu.
Allein wollte ich mir kein Taxi nehmen, also schleppte ich mich zum Bahnsteig, fuhr nach Hause und ging sofort ins Bett. Schlaf
hilft am besten gegen eine Erkältung.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, schwante mir Schreckliches. Mein warmer Frotteeschlafanzug, den ich am Vorabend aus
der hintersten Ecke des Schranks hervorgekramthatte, war klatschnass, ebenso wie meine Haare und das gesamte Bettzeug. Fieber. Mein leises Stöhnen ging in einen Hustenanfall
über, und das Husten erzeugte einen sehr unangenehmen dumpfen Druck im rechten Ohr. Im linken hingegen war der Schmerz spitz
und ziehend. Nicht schon wieder!, dachte ich.
Meine Ohren waren schon immer sehr empfindlich. Als Kind hatte ich mehrere Mittelohrentzündungen und musste von Oktober bis
März Mützen tragen, was ich meiner Mutter nie verziehen habe.
Ich stand auf und ging ins Bad meines Ein-Zimmer-Apartments in Düsseldorf-Oberkassel. Als Flugbegleiterin verdiente man keine
Reichtümer, aber Oberkassel war angesagt, deshalb wohnte ich dort. Da ich kein Auto hatte, störte mich die Parkplatznot nicht,
und da ich nicht oft zu Hause war, bot ein Zimmer mir Platz genug.
Den Rest meines Geldes gab ich für Kleidung und Accessoires aus. Auch wenn ich das, was mir gefiel, im Secondhandladen kaufen
musste, damit ich mir die angesagten Labels überhaupt leisten konnte.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich präsentabel hergerichtet hatte, aber ich lehne es grundsätzlich ab, ungepflegt aus
dem Haus zu gehen. Ein einfacher Hosenanzug mit einem Rollkragenpullover erschien mir angemessen, dazu trug ich flache Schuhe
mit einer warmen Einlegesohle aus Wolle. So ausgerüstet schaffte ich es endlich zur Praxis meines Hausarztes.
Das Wartezimmer war voll, und die Patienten sahen praktisch alle aus, als wären sie Statisten in einem dieser Filme, in denen
ein geheimnisvolles Virus das Überleben der Menschheit infrage stellt. Na super, das würde wohl ewig dauern.
Zum Glück hatte der Arzt eine sehr gute Auswahl an Illustrierten in seinem Wartezimmer. Woran sonst sollte man feststellen,
ob ein Arzt gut ist oder nicht? Warten musste man überall, und ob er die richtige Diagnose stellte und das richtige Medikament
verschrieb, wenn man krank war, ließ sich schlecht überprüfen. Die Qualität der Zeitschriften war dagegen ganz einfach festzustellen.
Hatte der Arzt nur die Blätter für die Frau über sechzig abonniert, in denen Dirndl tragende Volksmusikanten in ihren Vollholz-Blockhäusern
vor dem heimeligen Kaminfeuer abgelichtet waren, kam er für mich nicht infrage. Auch eine einseitige Ausrichtung auf Autos
oder abgefahrene Sportarten wie Paragliding, Fahrradtrekking oder Canyoning interessierten mich nicht. Ich griff nach einer
Zeitschrift, die sich mit aktuellen Wohntrends beschäftigte und hatte danach noch Zeit für Fashion, Beauty, Garten, Wellness
und Klatsch über Stars und Sternchen, bis mein Name aufgerufen wurde.
»Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«
Mein Arzt sah aus wie jemand, der all seine guten Ratschläge selbst beherzigt. Er war schlank, braun gebrannt, sportlich,
durch und durch gesund, wenn auch nicht mehr der Jüngste. Fünfzig war er sicher schon, aber das weiße Haar bildete einen sehr
aparten Kontrast zu dem dunklen Teint. Er trug immer weiße Hosen und bunte Poloshirts, wie die Assistentinnen auch. Diese
Woche war ein kräftiges Türkis dran, beim Besuch davor war es Schwarz gewesen. Zwar keine modischen Highlights (bunte, über
der Hose getragene Poloshirts gehen eigentlich gar nicht), aber wenigstens keine Spur von weißen Kitteln oder anderen eindeutigen
Begleiterscheinungen des kassenärztlichen Siechtums.
»Ich habe Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Fieber – und Ohrenschmerzen.«
Er bemerkte mein Zögern sofort, hob die Augenbraue und schaute auf seinen Computerbildschirm. »Sie sind Stewardess. Hatten
Sie die Ohrenschmerzen schon bei Ihrem letzten Flug?«
Ich nickte.
Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich einen Spaß daraus machen, stundenlang über Krankheiten und ärztliche Untersuchungen
zu reden, also machte ich die Sache kurz: Ich hatte eine leichte Entzündung auf der rechten und eine
Weitere Kostenlose Bücher