Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
nebeneinander auf dem Sofa ein.
»Na bitte, du siehst doch schon viel besser aus«, sagte Sabine am nächsten Tag gegen Mittag. Ich musste ihr recht geben, auch
wenn ich inständig hoffte, dass dieser Status der Wiederherstellung meines äußeren Erscheinungsbildes noch nicht das Ende
der Fahnenstange war. Die Kosmetikerin, der Sabine sich regelmäßig anvertraute, hatte auch bei mir ein wahres Wunder bewirkt.
Nach einem Peeling, einer Bedampfung, einer Gesichts- und Dekolleté-Massage und einer Maske war meine Haut deutlich feinporiger,
die Augen wirkten frischer, die Falten um Mundwinkel und Nase hatten einiges an Tiefe verloren. Ich schöpfte wieder Hoffnung
für die Zukunft.
»Los jetzt, Holger erwartet uns schon«, drängelte Sabine und schob mich aus der Tür. Die Rechnung hatte sie bereits mit einer
ihrer zahlreichen Kreditkarten beglichen. Als Geburtstagsgeschenk, wie sie sagte. Ich hakte sie unter und ließ mich von ihr
durch die belebten Straßen führen.
Die Brasserie am Belsenplatz war wie immer voller Leben. Ich hatte den Ort des Kennenlernens aussuchen dürfen und mich für
das Lokal ganz in der Nähe meiner Wohnung entschieden. Mindestens einmal im Monat aß ich dort, und jetzt, da ich die nächsten
Wochen notgedrungen in der Stadt verbringen würde, wollte ich erst einmal richtig ankommen. Wenn es einen Ort in Düsseldorf
gab, der mir das Gefühl von Heimat vermittelte, dann dieser hier.
Sabine warf sich in Holgers Arme, als hätten sie sich wochenlang nicht gesehen, was mir die Zeit für eine flüchtige Betrachtung
der beiden als Paar gab.
Das Ergebnis war frappierend. Holger und Sabine waren der fleischgewordene Beweis für das Sprichwort, nach dem sich Gegensätze
anziehen sollen: sie eher mittelgroß, von der Natur mit einer hervorragend proportionierten Figur ausgestattet, sehr gepflegt,
sehr modisch, sehr städtisch, er dagegen mit einer Optik wie eine Vogelscheuche, die morgens noch Krähen vom Feld gejagt hatte.
Holger war ein langer Schlaks, dünn wie ein Strichmännchen, mit schmalen, hängenden Schultern, Haaren in undefinierbarer Farbe
und einer Wischmoppfrisur. Seine Kleidung bestand aus einer alten hellblauen Jeans, einem grün-schwarz karierten Holzfällerhemd,
unter dem ein orangefarbenes T-Shirt hervorlugte, und Wanderschuhen. Sein kleiner Kopf war an allen sichtbaren Stellen spitz: spitzes Kinn, spitze Nase, spitze
Wangenknochen, spitze Eckzähne. Warum kann ich seine Eckzähne sehen?, fragte ich mich plötzlich und realisierte, dass Holger
mich mit seinen strahlend blauen Augen anblickte und breit lächelte. Beide Hände waren weit vorgestreckt, im nächsten Moment
griffen sie zu und zogen mich an sich. Er drückte mich herzlich und gab mir ein Küsschen links, eins rechts. Sein ungezügelter
Haarschopf kitzelte mich.
»… schon viel von dir erzählt«, bekam ich endlich mit.
»Jaaa …«, murmelte ich und kam mir vollkommen bescheuert vor. »Wollen wir uns nicht setzen?«
»Holger ist Politikwissenschaftler und Erdsystemforscher. Wir können diese Reise jetzt noch machen, bevor er seinen Lehrstuhl
an der Uni Hohenheim antritt.«
»Erdsystemforscher?«, wiederholte ich zweifelnd. Davon hatte ich noch nie etwas gehört.
»Ja«, antwortete Holger, während er mit der einen Hand die Menükarte und mit der anderen Sabines Hand hielt. »Die Erdsystemwissenschaft
verknüpft Wissen aus Natur-, Agrar- und Wirtschaftswissenschaften und wird jetzt zu einem eigenen Studiengang. Dort lernen
die Studierenden, technologische, ökonomische und soziale Veränderungen in ihrem komplexen Zusammenhang einzuschätzen. Mit
Fachidiotentum kommen wir bei den Herausforderungen, vor denen unsere und die nächste Generation stehen, nicht mehr weiter.«
Sabine folgte seinen Worten mit strahlenden Augen.
Ich nickte. »Ach so.«
»Es ist aber natürlich alles sehr technologie- und wissenschaftslastig. Da kann es nicht schaden, sich vorher noch einmal
ganz auf die ursprüngliche Kraft der Natur einzulassen.«
»Klar«, entgegnete ich.
»Was isst du denn?«, fragte Sabine.
»Den Salat, aber bitte ohne die Putenbrust«, antwortete Holger. »Und du?«
Ich sah, wie Sabine mit sich rang, und erwartete ihre Antwort mit hochgezogener Augenbraue und einem flauen Gefühl im Magen.
»Ich auch.«
Spätestens in diesem Moment war mir klar: Sabine war diesem Mann mit Haut und Haar verfallen. Sabine ist nämlich eine leidenschaftliche,
Weitere Kostenlose Bücher