Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
bitte Millie hiermit in aller Form, ihren Blog wiederaufzunehmen. Schenk uns mehr Anregungen, wie die Welt ästhetischer,
bunter und individueller werden kann. Bitte, Millie, mach weiter!
Ich war sprachlos, genau wie Stefan. Sabine, die das ganze Drama ja gar nicht mitbekommen hatte und auch nicht wusste, wer
Vanessa Goodheart war, lächelte huldvoll.
»Sehr nette Worte«, sagte sie. »Und sehr wahr.«
»Quatsch«, sagte ich. »So toll war das nicht, was ich geschrieben habe.«
»Doch«, entgegnete Jake ernst. »Du hast unvergleichlich eindrucksvolle Bilder gefunden für Entwicklungen, die wir alle spüren,
die uns alle ärgern oder uns Angst machen und die wir gern ändern würden, ohne zu wissen, wie. Die Entfremdung von der Natur,
die Verrohung der Gesellschaft, das sind universelle Themen, denen du dasBlumenmädchen oder den Gentleman entgegengesetzt hast. Vielleicht hast du das nicht bewusst gemacht, aber es ist das Geheimnis
deines Erfolgs. Ich vermute, dass es die Erfahrung und die Menschenkenntnis aus deinem Job sind, aus denen du schöpfen kannst.
Die hätte ein echter Trendscout vielleicht gar nicht. Jedenfalls bietet dein Blog etwas, das all die anderen, die sich nur
mit Modetrends beschäftigen, eben nicht haben. Ich kann es nicht benennen, aber sieh dir die Reaktionen der Leute an. Du bist
einfach echt gut.«
»Da hat er recht«, sagte Sabine.
Stefan schaute mich mit einem geradezu verträumten Blick an und nickte heftig.
Ich schluckte. Dann kam mir der Ausgangspunkt meines Streits mit Jake in den Sinn. »Und was, bitte schön, soll mir diese Lobhudelei
von Vanessa Goodheart jetzt in, äh …«, ich suchte nach einer unverfänglichen Formulierung, »… unserer Diskussion beweisen?«
Ich fand mich sehr erwachsen und rücksichtsvoll, dass ich vor Sabine, die ihren neuen Nachbarn ja noch nicht in seiner ganzen
selbstherrlichen Arroganz kannte, seinen Verrat nicht plakativer formulierte.
»Ich bin Vanessa Goodheart«, sagte Jake. Todernst. Ohne das schiefe Grinsen oder das spöttische Zwinkern, das er meist im
Gesicht trug.
»Wie bitte?«, stammelte Stefan entgeistert. »Die mit dem Ratgeber? Beziehungsweise, äh, der mit dem …«
»Genau.« Jake sah immer noch ausschließlich mich an. »Ich weiß genau, was es heißt, unter einem Pseudonym zu arbeiten und
eine heimliche Existenz zu führen. Bei mir war es ähnlich wie bei dir. Ich hatte meinen Ratgeber geschrieben, aber kein Verlag
nimmt einen Frauenratgeber von einem Mann. Oder überhaupt einen Beziehungs-, Liebes-oder Sexratgeber. Also musste ich mir einen falschen Namen und einen falschen Lebenslauf zurechtlügen, und seither versucht
Susan Walker, Vanessa Goodheart in ihr Magazin zu bekommen.«
»Sie weiß nicht, dass du das bist?«, fragte ich fassungslos.
Jake schüttelte den Kopf. »Um Himmels willen, nein. Sie würde mich sofort bloßstellen, um selbst gut auszusehen.« Er machte
eine wegwerfende Handbewegung. »Sie hält mich für einen eher mittelmäßigen Schreiberling, der gelegentlich psychologische
Artikel für ihr Magazin schreibt. Warum Diäten auf Dauer nichts bewirken, warum uns der Lichtmangel im Winter depressiv werden
lässt, welcher Unterwäsche-Typ du bist, solchen Scheiß.« Er lächelte entschuldigend.
»Und woher kannte Susan Walker dann Millies wahre Identität?«, fragte ich dickköpfig.
Jake zuckte die Schultern. »Ich habe wirklich keinen blassen Schimmer.«
Die Nudeln waren während unserer Diskussion zu einer klebrigen Pampe zerkocht, aber Stefan und Jake behoben das Problem mit
männlichem Heimwerker-Pragmatismus: Sie gossen das Wasser ab, pressten die Nudeln zu einer Art Spanplatte, schnitten diese
in Würfel und brieten sie in Olivenöl, Knoblauch und Chili. Es schmeckte himmlisch.
Der Abend wurde einer der vergnüglichsten meines Lebens. Sabine verlor nach einigen Gläsern Rotwein ein wenig von ihrer weltentrückten
Weisheit, woraufhin Stefan seine Akustikerin aus dem Gedächtnis verlor, Jake verlor sein herablassendes Grinsen und ich mein
Misstrauen ihm gegenüber. Spätestens als er mich zum Abschied festumarmte und mir mit etwas schleppender Zunge ins Ohr raunte: »Ruf Jasmin an. Bitte«, war ich mit ihm versöhnt. Und ich glaubte
ihm. Was einerseits erfreulich war, andererseits aber erneut die Frage aufwarf, wer – wenn überhaupt jemand – mich verraten
hatte.
Den ganzen Samstagvormittag grübelte ich über die Identität des
Weitere Kostenlose Bücher