Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
mir noch untersagt hatte. Ich war
froh darüber, denn das Fliegen war noch sehr anstrengend nach der Gehirnerschütterung. Erst gegen Ende der Woche ließen die
leichten Kopfschmerzen ganz nach.
»Kommst du zum Essen am Freitagabend?«, simste Sabine mir auf dem Rückflug.
Ich sagte liebend gern zu. Die Aussicht auf einen einsamen Abend in meinem dunklen Apartment hatte mir schon den ganzen Tag
auf der Seele gelegen, denn Thomas kam erst Samstagabend von einer Fortbildung in Englandund flog am Sonntag wieder rüber. Ich vermisste ihn schrecklich.
Ich war um halb acht da, wie vereinbart. Ich brachte Sabine Pralinen aus Brüssel, einen Seidenschal aus Rom und eine Kerze
aus Kopenhagen mit. Sie freute sich, aber ich konnte sehen, dass diese Dinge für sie genau das waren: Dinge. Anders als früher.
Da wäre sie mir um den Hals gefallen, hätte sich von jedem Mitbringsel erzählen lassen, wo ich es gekauft hatte und welche
Erinnerungen ich damit verband. Die persönliche Verbindung interessierte sie jetzt immer noch, der Rest nicht mehr. Seltsam.
Stefan begrüßte mich in einer Schürze, nahm mein Gesicht in die Hände, betrachtete das fast nicht mehr sichtbare Veilchen
mit einem halb zerknirschten, halb zufriedenen Gesichtsausdruck und sagte: »Man kann es kaum noch sehen. Du bist wunderschön.«
Mein Gott, waren denn plötzlich alle Menschen um mich herum zu wahrhaftigen Gutmenschen mutiert?
»Kommt die Akustikerin auch?«, fragte ich, um die Unterhaltung wieder auf eine handfestere Ebene zu bringen. Der Tisch war
für vier gedeckt.
Die Türklingel erübrigte eine Antwort. »Ich gehe schon«, bot ich an, ging zur Tür, öffnete sie und – zuckte zurück.
»Was willst
du
denn hier?«, knurrte ich Jake an.
Er schob sich mit einer Flasche Rotwein in der Hand an mir vorbei, steuerte zielstrebig auf Sabine zu und gab ihr rechts und
links ein Küsschen. »Danke für die Einladung, liebe Nachbarin.«
Ich wusste nicht, ob ich heulen oder schreien sollte.
»Du Schlange«, zischte ich, als Jake sich zu mir umwandte. »Du wagst es …«
»Pssst«, zischte er zurück. »Halt die Klappe, bevor du dich noch mehr blamierst. Ich habe dich nicht verpfiffen.«
»Na, was gibt es da zu tuscheln?«, fragte Sabine.
»Dürfen wir mal deinen Laptop benutzen?«, fragte Jake.
Ich starrte ihn an. Erst feindselig, aber dann zunehmend verunsichert. Er machte einen ehrlichen Eindruck. Keine Ahnung, wieso
ich das dachte, ob es an seinem offenen Blick lag oder an dem völligen Ernst, mit dem er mich betrachtete. Keine Spur von
dem Spott, der üblicherweise in seinem Blick lag.
»Na klar. Ich wollte sowieso mal sehen, ob Lulu während meiner Abwesenheit die Software ausprobiert hat.«
Das hatte Sabine noch nicht getan? Das wäre vor ihrem Trip undenkbar gewesen. Wenn sie früher von einer Reise nach Hause gekommen
war, machte sie erst das Licht im Wohnzimmer an, dann die Kaffeemaschine und dann den Rechner. Manchmal auch zuerst den Rechner.
Sabine klappte den blauen Laptop auf, tippte ein bisschen darauf herum und fand natürlich sofort den Zugang zum Blog.
»Ist es das, was du während meiner Abwesenheit gemacht hast?«, fragte sie erstaunt. »Du warst aber sehr fleißig.«
Sie wechselte die Ansicht zu den statistischen Daten. »Du liebe Güte, du hattest über zweihunderttausend Klicks?«
Ich nickte.
»Sieh dir die letzten Kommentare an«, sagte Jake.
Er stand dicht neben mir und hatte mir seine Hand auf die Schulter gelegt.
Ich hatte den Blog nie offiziell geschlossen – ich hätte auch gar nicht gewusst, wie ich das hätte anstellen sollen. Nach
den Kommentaren, die ich noch gelesen hatte, warenungefähr fünfzig weitere eingegangen. Zunächst überwogen die enttäuschten oder verärgerten Kommentare, die ich überflog, bis
mein Blick an einem Namen hängenblieb, den ich nur allzu gut kannte. Vanessa Goodheart hatte einen Kommentar geschrieben.
Worüber regt ihr euch eigentlich auf, liebe Leute? Darüber, dass eine Frau, deren Blog ihr mit Begeisterung gelesen habt,
nicht den Beruf ausübt, den sie gern hätte? Und den sie – da sind wir uns doch wohl einig – sehr wohl verdient hätte? Millie
versteht es, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und Dinge zu entdecken, über die wir alle hinwegsehen. Das Blumenkind.
Der Gentleman mit dem Regenschirm. Jeder wird weitere Beispiele finden, die unser Herz berührt haben.
Was macht es da aus, wie sie ihr Geld verdient?
Ich
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