Blonde Engel sind gefährlich
sich, Boyd«, befahl er nüchtern.
Ich gehorchte und sah ihn
fragend an.
»Ich habe Ihnen den Auftrag
gegeben, meine Nichte zu suchen und zu finden«, sagte er ausdruckslos. »Das
haben Sie getan. Daß Sie nur noch Lindas Leiche fanden, ist nicht Ihre Schuld .«
Darauf ließ sich schlecht etwas
antworten. Morgan hob sein Glas und warf es in plötzlich aufflammender Wut an
die Wand.
»Sie ist tot !« würgte er hervor. »Niemand bringt sie mir zurück. Aber ich werde dafür sorgen,
daß ihr Mörder zur Rechenschaft gezogen wird. Ich gebe Ihnen hiermit den
Auftrag, Boyd, nach ihrem Mörder zu suchen. Es ist mir egal, wieviel es kostet und was für Methoden Sie anwenden. Die
Hauptsache ist, daß Sie den Burschen finden !«
»Ja, Sir«, sagte ich
einigermaßen überrascht.
»Tyler!« protestierte Obister.
»Meinen Sie, daß das klug ist? Die Polizei versteht ihr Fach. Und kennen Sie
Boyd überhaupt gut genug? Sie können es sich nicht leisten, Ihren Ruf durch
irgendeine Unbesonnenheit dieses Mannes ruinieren zu lassen. Stellen Sie sich
vor, was Ihr Name bedeutet .«
Morgan holte tief Luft.
»George, merken Sie sich eins: Mein Ruf und Ihr Ruf und alles andere
interessiert mich nicht für einen Cent. Ich will, daß Lindas Mörder gefaßt wird .«
»Ich verstehe ja, wie Ihnen
zumute ist«, stotterte Obister. »Auch ich bin tief betroffen — Linda war ein
bezauberndes Mädchen. Aber wenn Sie erst ruhiger geworden sind...«
»Machen Sie, daß Sie
rauskommen«, zischte Morgan. »Ich kann Ihr Mondgesicht nicht mehr sehen,
George. Vielleicht ist mir Ihr Anblick bis morgen früh erträglicher geworden !«
»Sie wissen nicht, was Sie
sagen !« Obister marschierte mit gekränkter Miene zur
Tür. »Sie sind durch diese schreckliche Tragödie ja ganz durcheinander, Tyler !«
Die Tür schlug krachend hinter
ihm ins Schloß, und ein paar Sekunden lang war es sehr still.
»Obister ist ein guter
Geschäftsmann, aber in einer solchen Lage ist er nicht zu gebrauchen«, erklärte
Morgan. »Soweit ich mich erinnere, sollten Sie für den Fall, daß es Ihnen
gelänge, Linda zu finden, fünfhundert Dollar zuzüglich Spesen bekommen, nicht
wahr ?«
»Einigen wir uns auf tausend ?« schlug ich vor.
Er nickte, zog ein Scheckbuch
und einen Füller hervor, und ein paar Sekunden lang war nur das Kratzen seiner
Feder auf dem Papier zu hören. Dann reichte er mir den Scheck.
»Zweitausend«, sagte er. »Der
zweite Tausender ist eine Akontozahlung auf Ihren neuen Auftrag. Wenn Sie ihn
erfüllt haben, bekommen Sie nochmals fünftausend von mir. Zufrieden?«
»Ich bin einverstanden, Mr.
Morgan .«
»Und Sie werden mich auf dem
laufenden halten ?«
»Natürlich.«
»Dann wäre das alles für heute,
Boyd .«
Ich fuhr im Fahrstuhl hinunter
zur Hotelhalle und ging hinüber zum Empfang. Der Empfangschef war ein
geschniegelter Fatzke von unterer Mittelgröße, der nach Rosenwasser duftete. Er
lehnte sich zu mir herüber und hob vornehm eine Augenbraue. »Ja, Sir ?« lispelte er. »Sie wünschen ?«
»Ich brauche ein Zimmer«, sagte
ich. »Ein Doppelzimmer mit Bad.«
»Ja, Sir .« Er sah mir verstohlen über die Schulter, aber eine Mrs. Boyd war nicht in
Sicht. Seine Augenbraue hob sich noch einmal fragend.
»Ich bin allein«, sagte ich.
»Aber was nicht ist, kann ja noch werden, nicht wahr? Ihr habt ja hier so ein
anregendes Klima, habe ich mir sagen lassen .«
»O ja, Sir!« Er lächelte
höflich, aber verständnislos. »Ich bin ganz Ihrer Meinung .«
»Ich wage zu bezweifeln, ob in
dem Liliputgehirn unter Ihrer hübschen schwarzen Tolle überhaupt Platz für eine
Meinung ist«, feixte ich. »Aber trösten Sie sich, wir haben alle unsere Fehler .«
Das Lächeln gefror auf seinem
Gesicht. Er reckte sich zu seiner vollen Höhe von einsfünfundfünfzig auf und klingelte wütend. Zwei Sekunden später kam ein Hoteldiener angetrabt.
Er war noch ganz atemlos.
»Bringen Sie den Sultan auf 603 !« sagte der Empfangschef mit aller Würde, die er
aufzubringen vermochte, warf den Schlüssel auf den Tisch und wanderte von
dannen.
Der Hoteldiener nahm den
Schlüssel und ging mit schnellen Schritten zum Fahrstuhl. »Folgen Sie mir, Mr.
Sultan«, sagte er höflich. Heute abend geriet mir aber
auch alles daneben!
Am nächsten Morgen rief ich in
meinem Büro in New York an und erwischte meine Sekretärin, Fran Jordan, als sie
gerade zum Mittagessen gehen wollte. An die Zeitdifferenz zwischen der
Westküste und New York werde ich mich nie gewöhnen
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