Blood Empire - Das Blutreich
Hintertür.
Tardelli stieg ein.
Seine Haare klebten durch die Feuchtigkeit am Kopf.
"Hallo Jack, wie geht's."
"Alles soweit paletti, Onkel Roy."
"Wir haben uns 'ne Weile nicht gesehen."
"Ich hatte viel Arbeit."
"Und du hängst mit üblen Typen rum, habe ich gehört."
"Hey, Mann, wer sagt so was? Wer streut so miese Gerüchte?"
"Ich habe ja nicht gesagt, dass ich sie auch glaube." Im Hintergrund lief Radio Little Italy. Ein Reporter berichtete über die Freilassung der Geiseln in Teheran. Ein Ruck ging durch Roy DiMario. Er beugte sich nach vorn. In seinen Augen blitzte es. Mit triumphierenden Gesichtszügen wandte er sich schließlich an Jack Tardelli.
"Siehst du! Ich hab's dir ja gesagt! Ich habe es immer gesagt!"
"Onkel Roy, wovon redest du eigentlich?"
"Von der Freilassung der Geiseln! Ich habe immer gesagt, dass sie erst freikommen werden, sobald der Erdnussfarmer nicht mehr im Amt ist! Und, was ist passiert? Hör's dir an, mein Junge! Kaum ist Ronald Reagan im Amt, kommt Bewegung in die Sache."
Jack Tardelli atmete tief durch. Er wirkte genervt. Diese sprunghaften Wechsel des Gesprächsthemas oder der Gemütslage waren typisch für Roy DiMario. Tardelli konnte das nicht ausstehen. Manchmal hatte er den Eindruck, dass sein Großonkel das ganz bewusst inszenierte, um seine Gesprächsteilnehmer subtil zu quälen. Zu anderen Zeiten war Onkel Roy für Tardelli einfach nur ein alter Mann, der einfach nicht mehr derjenige war, der er einst gewesen war.
"Onkel Roy, es wäre nett, wenn du zur Sache kommen würdest! Ich ruiniere mir meinen Kaschmir-Mantel, weil du mich 'ne Viertelstunde im Regen warten lässt und jetzt muss ich mir so ein Geschwätz anhören!" DiMarios Gesichtszüge veränderten sich.
Plötzlich wirkten sie wie aus Bernstein gemeißelt. Der Blick wurde eiskalt und bekam etwas Falkenhaftes.
"Etwas mehr Respekt würde dir gut anstehen, Jack. Alles, was du bist, bist du durch mich. Wenn ich nur mit den Fingern schnippse, hat es dich nie gegeben. Verstehst du mich?"
"Das werde ich nie vergessen, Onkel Roy!"
"Na schön." Der King von Little Italy machte eine kurze Pause. Er griff in die Westentasche seines dreiteiligen Anzugs, holte ein Tablettendöschen hervor, öffnete es und schluckte ein Dragee.
Nitro-Tabletten!, erkannte Tardelli.
Die Gerüchte, dass Onkel Roy was mit dem Herzen hatte, stimmten also. Ich darf nicht abwarten, bis mein werter Onkel auf natürlichem Weg in die Hölle fährt!, ging es Tardelli durch den Kopf. Wenn die NachfolgeKämpfe erst einmal losbrachen, hatte Tardelli weitaus schlechtere Chancen, als wenn er die Gunst der Stunde nutzte und als erster einen gezielten Schlag führte. Nur so konnte er sich an Roy DiMarios Stelle setzen.
"Eigentlich wollte ich mit dir ja heute Abend über die Erhöhung deiner Anteile reden, Jack. Aber leider ist mir ein sehr wichtiger Termin dazwischen gekommen, den ich nicht aufschieben kann."
"Na, reizend!"
"Wir holen das nach, Jack."
"Klar."
"Vorher musst du mir noch einen Gefallen tun."
"Jeden, Onkel Roy. Das weißt du."
"Der Gefallen heißt Eddie Calrese."
Tardelli zuckte unwillkürlich zusammen. "Eddie?"
"Knipps ihn aus. Ich weiß, dass ihr zusammen aufgewachsen und zur Schule gegangen seid. Sorry, aber so ist das Leben, Jack."
"Was hat Eddie getan, verdammt noch mal!", brauste Tardelli jetzt auf. Sein Puls beschleunigte sich, schlug ihm bis zum Hals. Eddie Calrese war einer seiner wichtigsten Verbündeten im Syndikat. Nur mit ihm zusammen konnte Tardelli den großen alten Onkel zum Teufel jagen. Wie viel weiß dieser Fuchs von unseren Plänen?, ging es Tardelli durch den Kopf. Er hatte das Gefühl, als ob sich eine kalte, glitschige Hand auf seine Schulter legte.
"Ich sagte ja, dass mir einige Typen nicht gefallen, mit denen du oft zusammen bist. Eddie gehört dazu." Roy DiMarios Augen wurden schmal. Er sprach mit leiser Stimme, kaum lauter als ein Wispern. "Ich glaube, dass Eddie einen Umsturz plant. Aber bevor er seine Pläne in die Tat umsetzen kann, hast du ihn aus dem Weg geräumt. Jack. Ich vertrau dir." Tardelli nickte.
Ich habe den Alten unterschätzt, dachte er. Und das war ein Fehler, den man bei Roy DiMario nicht machen durfte.
"Wie geht's übrigens mit Joeys Sohn?", drang DiMarios Stimme in Tardellis Bewusstsein.
Tardelli blickte auf.
"Chase? Er hat immer noch Schwierigkeiten, 'ne Knarre zu halten, ohne sich selbst dabei zu verletzen, aber er lernt dazu."
"Freut mich zu hören, dass es doch noch einen
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