Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
Anfangs war die Party wie all die Partys davor, auf denen sie schon gewesen war: Bier in Massen, hier und da ein Joint, und aus den Boxen klang so laut Joy Division, dass die Nachbarn irgendwann die Polizei alarmierten.
Nachdem die Polizisten wieder verschwunden waren, wurde es dann ruhiger. Gegen drei Uhr morgens war nur noch ein Dutzend Leute da, die im Wohnzimmer auf dem Fußboden lungerten und über irgendwelche Fernsehserien debattierten, die Babel nicht kannte, weil es in ihrer Bude keinen Fernseher gab. Ein schmächtiger, kleiner Kerl versuchte ausdauernd, sie von den Vorzügen einer Wasserpfeife zu überzeugen, und auch ihre einsilbigen Antworten brachten ihn nicht dazu, sie in Ruhe zu lassen. Als sie Sam das nächste Mal sah, hatte er sein T-Shirt verloren und war reichlich betrunken. Den Oberkörper bedeckte ein leichter Schweißfilm, als wäre er gerannt, und im Licht der Wohnzimmerlampe glänzte seine Haut. In seinen Augen lag dieses Glitzern, das ihr eine Warnung war, und sein Blick huschte unruhig über die Menge. Er setzte sich ins Zentrum der Gruppe und grinste Babel an, während alle anderen ihn anstarrten.
»Was ist?«, fragte sie irritiert.
»Mir ist langweilig.«
»Du wolltest doch hierher.«
Er zuckte mit den Schultern, und eine Weile saßen sie schweigend da und lauschten den Gesprächen. Eigentlich wollte Babel am liebsten gehen. Die Gespräche waren nicht besonders interessant, und die Musik wurde auch immer schlechter. Außerdem konnte sie Sam ansehen, dass er nur darauf wartete, dass etwas Spektakuläres passieren würde. Von ihm ging eine vibrierende Energie aus, die ihr in den Fingerspitzen brannte.
Als die anderen begannen, sich über Fantasy-Rollenspiele zu unterhalten und Worte wie Zauberer und Flüche fielen, wuchs ihre Unruhe. Bald kreiste das Gespräch um das Thema Magie, aber an der Art, wie die Leute darüber sprachen, erkannte Babel, dass kein Einziger von ihnen wusste, wovon er redete. Dabei waren sie sicher alle schon mal mit Magie in Kontakt gekommen, Babel müsste nur die richtigen Fragen stellen ...
Schon mal nachts schweißgebadet aufgewacht , mit dem Gefühl, beobachtet zu werden? Und dabei ist dir der Brustkorb so eng geworden, dass du kaum noch atmen konntest, und eine Traurigkeit hat von dir Besitz ergriffen, für die es gar keinen Grund gab? Schon mal ganz plötzlich daran gedacht, wie es wäre, den Hals dieser niedlichen kleinen Katze zuzudrücken, die so hilflos in deiner Hand liegt? Einfach weil du die Macht dazu hast?
Dann streift dich vielleicht gerade ein Dämon. Oder das Bedauern eines Toten hüllt dich ein, der dich um deine Wärme beneidet. Und vielleicht liegt das Flüstern eines Dämons in der Luft, das dir Gedanken in den Kopf setzt, auf die du selbst niemals gekommen wärst.
Das tun sie gern, die Bastarde.
Dämonen und Toten fehlte auf dieser Existenzebene der Körper, daher konnten sie keinen direkten Einfluss auf Menschen nehmen. Sie existierten auf einer Ebene parallel zu dieser, von der aus sie auf die Energien der Menschen zugriffen, die in ihre Nähe kamen. Ihre Macht reichte aus, um winzige Veränderungen in den Energiemustern der Lebenden zu verursachen, die diese dann als Angst, Erschöpfung oder Wut spürten. Sie waren eine unsichtbare Bedrohung, von der nur wenige wussten.
Babels Blick wanderte zu Sam, der damit beschäftigt war, die anderen zu beobachten. In seinem Blick lag etwas Lauerndes, und sie verspürte den Drang, aufzuspringen und davonzulaufen. In diesem Moment konnte sie auf einmal ganz deutlich fühlen, was er war - als wäre ihm sein dämonischer Anteil ganz dicht unter die Haut gekrochen und hätte sein Äußeres verformt. Er sah immer noch aus wie ein Siebzehnjähriger, aber unter der Oberfläche lauerte etwas, das nie auf diese Ebene hätte gelangen dürfen. Da war dieses Fremde, das sich von den Menschen unterschied und Babel dieselbe Gänsehaut bescherte wie der Anblick von Haien und Gottesanbeterinnen.
Es dauerte einige Herzschläge, bis sie merkte, dass er ihren Blick erwiderte und seine Aufmerksamkeit nun ihr galt. Ein wissendes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht, und sie fühlte sich ertappt, weil sie ihn angestarrt hatte.
Sam war zweifellos gefährlicher als ein Hai, denn er war schön, und deshalb konnte sie nicht von ihm lassen. Beschämt senkte sie den Blick. Sie sollte wirklich gehen.
Doch als sie aufstehen wollte, hörte sie ihn auch schon sagen: »Das ist doch alles Kinderkacke. Wenn ihr richtige
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