Blood Romance 04 - Ruf der Ewigkeit
Aber ich kann dir jetzt schon sagen: Alles, was ab heute zählt, sind Fakten. Spekulationen, Wenn und Aber interessieren mich nicht mehr. Fakt ist erstens, dass ich meinem Ziel noch nie so nahe war wie in den letzten Tagen. Zweitens bist du mir schon seit einiger Zeit keine besondere Hilfe mehr. Um genau zu sein, seit du den albernen Entschluss gefasst hast, in dieses Kaff zu ziehen. Drittens«, Emilia umschlich Jonathan wie eine Katze und fuhr mit ihren langen Fingernägeln über seinen Rücken, »bin ich äußerst enttäuscht, um nicht zu sagen, erbost über diese unerfreuliche Entwicklung und überlege, ob ich dir nicht eine kleine Lektion erteilen sollte. Beispielsweise, indem ich dich für einige Tage an einem hübschen, verlassenen Ort deinem Schicksal und deinem Hunger überlasse, damit du in dich gehen und darüber nachdenken kannst, auf wessen Seite du in Zukunft stehen willst.«
Jonathan schüttelte energisch den Kopf. »Auf wessen Seite ich stehe, weiß ich, Emilia. Daran wird sich auch nie etwas ändern!« Schweißperlen traten auf seine Stirn. Er wusste, wie skrupellos Emilia sein konnte. Auch ihm gegenüber, ihrem langjährigen und verständnisvollen Begleiter, würde sie keine Ausnahme mehr machen. Jonathan hatte längst seine Trümpfe verspielt. Er war Emilia in den letzten Jahren gleichgültig geworden, so wie alles andere aus ihrer Vergangenheit.
»Also, wenn das tatsächlich so ist, was schlägst du vor, um deine Treue zu beweisen?«, hakte Emilia nach. Sie blickte ihn forschend an.
»Gib mir nur ... ein paar Tage Zeit, um seine ... seine Spur wieder aufzunehmen«, stammelte Jonathan. »Ich werde Dustin wiederfinden, ganz bestimmt.«
»Und dann?«
»Dann serviere ich ihn dir auf einem Silbertablett.« Jonathan war sich vollkommen bewusst, dass sein Versprechen nichts als eine momentane Flucht aus dieser unangenehmen Situation war. Ein kleiner Aufschub, mehr nicht. Früher oder später würde er sein blaues Wunder erleben.
»Schön. Du bekommst deine Chance. Wieder einmal. Aber lass es dir gesagt sein: Diese ... ist tatsächlich deine letzte.« Emilia blickte ihm scharf in die Augen. »Und während du dich ab jetzt ganz allein um den Hauptgang kümmerst«, flötete sie, »beschäftige ich mich mit der dazugehörigen Beilage.«
Jonathan zuckte zusammen. Sarah ...
»Ich weiß zwar noch nicht genau, was ich mit ihr anstelle«, fuhr Emilia gedehnt fort, »aber ich denke, sie verleiht unserem Menü die perfekte Würze. Es kommt nur auf die richtige Art der Zubereitung an. Wobei du, lieber Henry, ja leider schon den Geschmack an ihr verloren hast, wie du behauptest.« Sie lächelte ihr messerscharfes, ironisches Lächeln.
Jonathan konnte nur hoffen, dass Sarah inzwischen geflohen war, so wie er es ihr geraten hatte. So weit weg, dass es Emilia zu unbequem werden würde, ihre Spur aufzunehmen. Und doch so nah, dass er sie wiederfand, wenn die Dinge endlich geklärt waren. Es musste doch eine Möglichkeit für ihn geben, sich von Emilia zu trennen, um irgendwo von Neuem zu beginnen. Mit ihr, mit Sarah.
»Drei Tage«, zischte Emilia.
»Was?«
»Du bekommst drei Tage, Henry. Na gut, von mir aus vier, ich will nicht unfair sein. Ab jetzt spielt Zeit wieder eine Rolle für dich, also trödle nicht herum. Heute ist Samstag. Dienstag um Mitternacht ist meine Geduld am Ende und du wirst aus deinem Dienst entlassen, wenn du mir keine Ergebnisse lieferst. Also, mach dich auf die Suche und fang am besten im Canyon Forest an. Wie ich Dustin einschätze, hängt er noch immer dort herum. Er ist nicht sehr einfallsreich. Ich persönlich habe die Schnauze voll von dem Herumgestreune im Wald. Das ist allmählich unter meiner Würde. Rehe und Wölfe langweilen mich, ich werde mich zukünftig auf andere Nahrung konzentrieren.« Emilia fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und Jonathan schauderte. »Da fällt mir ein - ich habe Hunger. Mal sehen, was sich dagegen unternehmen lässt.« Emilia drehte sich um. »Du weißt ja, wo du mich findest, wenn es Neuigkeiten gibt«, rief sie ihm zu, während sie sich in Richtung seines Fensters bewegte. »Und ich werde dich ebenfalls aufspüren«, fügte sie hinzu. »Egal, wo du steckst, vergiss das nicht.«
Damit verschwand sie im Morgengrauen und ließ Jonathan fröstelnd vor Unbehagen in seinem Wohnheimzimmer zurück. Er ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen und schlug müde die Hände vors Gesicht. Vier Tage ... Wo sollte er anfangen? Wie sollte er vorgehen?
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