Blütenrausch (German Edition)
das von allen Bräuten gefürchtete Szenario ein: Die Freundin stolperte und kippte ihr volles Glas Fruchtbowle aus, und zwar so ungeschickt, dass ein paar Tropfen auf Natalies Brautkleid landeten und einen unförmigen Fleck bildeten.
Ich lief schnell zu Natalie, die verzweifelt vers uchte mit ihrer freien Hand – in der anderen hielt sie ihren Brautstrauß ‒ die Feuchtigkeit aus dem Stoff zu wischen.
» Lieber nicht«, warnte ich, »sonst wird alles noch schlimmer.«
» Natalie, es tut mir furchtbar leid! Oh, es tut mir so leid! Bitte entschuldige!«, jammerte ihre Freundin schuldbewusst. Sie wusste nicht wohin vor lauter Verlegenheit, hielt die Fingerkuppen ihrer Hand auf den Lippen und murmelte ununterbrochen: »Oh Gott, oh Gott!«
» Ist schon gut, Louise«, versuchte Natalie sie zu beruhigen.
» Am besten du gehst in dein Zimmer«, schlug ich vor. »Ich habe Fleckenentferner in meiner Notfalltasche. Ich hole ihn kurz und bring ihn dir. Wir kriegen den Fleck schon weg, mach dir keine Sorgen.«
» Auf keinen Fall!«, entgegnete bestimmend die zierliche Brünette, die den Unfall verursacht hatte. »Ich meine ... das ist alles meine Schuld und deshalb möchte ich es wieder gut machen. Ich trage immer Fleckenentferner bei mir. Du weißt, wie ungeschickt ich manchmal bin, Natalie, und mein Stift hat mir mehr als einmal schon aus der Bredouille geholfen.«
Die Frau namens Louise kramte in ihrem Clutch, der auf ihr roséfarbenes Cocktailkleid abgestimmt war, griff nach ihrem Fleckenstift und zeigte ihn der niedergeschlagenen Braut. Dann wandte sie sich an mich und sagte: »Ich weiß, dass die Erledigung solcher Probleme auch zu Ihrem Job gehört, aber glauben Sie mir, ich habe alles im Griff.« Und wieder zu Natalie: »Es gibt hier bestimmt noch eine Menge für sie zu tun, du weißt schon, Gästefragen, Organisation und so weiter. Lass uns in dein Zimmer hochgehen, dann kümmere ich mich um das Kleid. Das geht alles schnell, die Gäste werden kaum merken, dass du weg warst.«
Natalie blickte mich zögernd an, dann nickte sie und beide Frauen begaben sich schleunigst zu dem Aufzug, der sie zu Natalies Zimmertrakt führen würde.
Ich lief zurück zum Festsaal. Was für ein Pech, dachte ich. Ausgerechnet jetzt, wo doch die meisten Gäste schon an ihren Tischen Platz genommen hatten. Ich hoffte nur, dass Louise den Fleck so schnell wie möglich wegbekam, und beide nicht zu lange brauchten, bis sie wieder da waren. Bevor das erste Gericht serviert wurde, wollte der Bräutigam eine kurze Rede halten und das ging natürlich nicht ohne Natalie an seiner Seite. Außerdem würde sich alles verzögern und es gab nichts Schlimmeres ‒ außer vielleicht solche Malheure wie das eben Geschehene ‒, als den Zeitplan nicht einhalten zu können. Das brachte alles durcheinander. Solche Gedanken kreisten in meinem Kopf, als ausgerechnet David Behring, der Bräutigam, mir entgegenkam.
» Haben Sie meine Frau gesehen? Wo steckt sie denn bloß?«
Seine Aufregung war nicht zu übersehen . Seine hochgezogenen Brauen hoben die kaum vorhandenen Stirnfalten hervor, was ihn etwas reifer wirken ließ. Obwohl er schon Mitte dreißig war, sah er noch wie Anfang zwanzig aus, was in seinem Beruf ‒ er war Arzt ‒ sicherlich einen Nachteil darstellte. Anderseits konnte ich mir gut vorstellen, welche Vorteile dieses jugendliche Aussehen, gepaart mit einer relativen Attraktivität, an seinem Arbeitsplatz mit sich brachte. Man denke nur an die vielen Krankenschwestern …
»Ihrer Frau ist gerade ein Malheur passiert und ...«
»Wa s? Geht es ihr gut? Wo ist sie?« Behring fragte in so einer Geschwindigkeit, dass die Wörter kaum Zeit hatten, sich in seinem Mund richtig zu formen.
» Nur ein kleiner Fleck. Ihre Freundin Louise hat nicht aufgepasst und etwas Bowle auf ihr Kleid gekippt.«
Seine Gesichtsmuskeln entspannten sich, dann aber schüttelte er seinen Kopf, als ob ihm der gleiche Gedanke gekommen wäre, den auch ich noch vor ein paar Sekunden hatte.
»Ich war schon dabei meine Utensilien zur Fleckentfernung zu holen«, eilte ich zur Erklärung, »aber ihre Freundin beharrte darauf, sich selbst darum zu kümmern. Beide sind jetzt in ihrem Zimmer und versuchen den Fleck zu entfernen. Wenn sie nicht bald kommen, werde ich nachschauen, ob sie vielleicht nicht doch meine Hilfe brauchen. In der Zwischenzeit werde ich dem Chefkellner Bescheid geben, dass er sich noch etwas gedulden soll.«
» Tun Sie das, bitte. Ich möchte nicht,
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