Blütenrausch (German Edition)
ich bei ihm keine Chance hatte.
Während das Brautpaar noch mit den einzelnen Glückwünschen ihrer Gäste beschäftigt war , hatten sich die meisten Eingeladenen schon für ein erstes Gruppenfoto aufgestellt. Ich suchte Blickkontakt mit der Braut, um zu ergründen, ob sie mich hier noch brauchte, denn der anschließende Champagnerempfang erforderte auch noch meine Aufmerksamkeit. Sie winkte mir kurz zu und formte mit den Fingern der rechten Hand das Zeichen für ein »Alles Okay«.
Das September wetter hatte uns an diesem Samstag keinen Strich durch die Rechnung gemacht, und so hatte das Schlossrestaurant den Empfang nach der Trauung auch im Freien arrangiert, und zwar auf der Terrasse mit Blick auf den Park. Ich inspizierte jeden Stehtisch auf Fehler und kontrollierte die angerichtete Bar. Wie von dem Personal einer solchen Örtlichkeit zu erwarten, hatten sie, abgesehen von zwei fehlenden Aschenbechern, ihren Job gutgemacht. Die Floristin hatte die Blumendekoration genau so platziert, wie ich es wollte; die Fruchtbowle war kalt und schmeckte nicht zu süß; die Champagnerflaschen stimmten mit der Bestellung überein, und die Häppchen waren perfekt angerichtet. Die Empfangsmusiker, ein Duo aus Cello und Violine, saßen bereits auf ihren Plätzen und stimmten leise ihre Instrumente, während sie auf ihren Einsatz warteten.
Nach meiner Kontroll runde begab ich mich wieder zur Hochzeitsgesellschaft, die, wie ich beobachten konnte, schon anfing, unruhig zu werden.
Zeit meine Horde Sch äfchen zurück auf den richtigen Weg zu bringen .
» Meine Damen und Herren«, rief ich mit erhobener Stimme in die Menge, damit jeder mich hören konnte, »dürfte ich kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Das Schlosshotel würde Ihnen mit Champagner und kühlen Getränken die sommerliche Hitze gern etwas erträglicher machen. Wenn Sie mir also bitte folgen würden ...«
Eine Minute später hatte ich alle soweit, und der Hochzeitszug konnte, mit mir als Führerin, zu der nahe gelegenen Terrasse aufbrechen.
Auf einmal sprang hinter einem der alten Bäume ein Mann auf, der mich beinahe zu Tode erschreckte. Er trug einen schwarzen Frack und eine verzierte Augenmaske, wie man sie aus dem Karneval in Venedig kennt. Er fing an, auf seinem Saxofon ein Lied zu spielen. Ich nahm sofort an, dass es sich um das Arrangement eines Gastes handelte. Eine schöne Überraschung für das Brautpaar, aber ich konnte solche Überraschungen, die vorher nicht mit mir abgesprochen worden waren, nicht ausstehen. Diese Überrumpelungen entzogen sich meiner Kontrolle, und wenn dann doch etwas schief lief, hieß es trotzdem: »Wozu habt ihr denn eine Hochzeitsplanerin?«
Jetzt führte der Saxofonist die Gesellsc haft, und ich konnte nicht umhin an die Szene des Rattenfängers von Hameln zu denken.
Der Empfang verlief ohne Zwischenfälle. Natalie hatte endlich Zeit gefunden, meine Glückwünsche entgegenzunehmen und versicherte mir, dass bisher alles wunderbar geklappt habe und sie mit meiner Arbeit sehr zufrieden sei. Sie klang sehr überzeugend, dennoch war da was. Ich konnte meine Empfindung nicht einordnen, aber irgendwie ließ mich ein paar Sekunden lang das Gefühl nicht los, Natalie wolle mir etwas sagen.
Trotz ihrer nachdenklichen Miene , die für einen kurzen Moment ein paar Falten auf ihrer Stirn hervorbrachten, sah sie bezaubernd aus. Kein Vergleich zu vielen anderen Bräuten, die zwar wie eine Prinzessin aussehen mochten, aber durch ihren miserablen Geschmack, was Brautkleid, Frisur und Make-up betraf, nur die billige Version erreichten. Nicht so Natalie. Ihr Kleid war ein Traum: schlicht, elegant, kurze Schleppe. Sie trug eine Hochsteckfrisur à la Grace Kelly, die direkt über ihrem Nacken saß, und sehr dezentes Make-up, das perfekt zu ihrem blonden Haar passte.
» Ist alles in Ordnung, brauchst du was?«, hakte ich vorsichtshalber noch mal nach. Es war nicht professionell, Kundinnen zu duzen, aber es war Natalie, die nach unserem zweiten Treffen darauf bestand.
»Nein, obwohl ...« Sie stockte.
» Ja?«
» Ach, nichts. Ich muss mich weiter um meine Gäste kümmern. Sei so gut und sag mir Bescheid, wann wir in den Saal können.«
» Natürlich. Laut Plan fängt das Dinner in circa zwanzig Minuten an, ich werde den Gästen also bald mitteilen, dass sie sich auf den Weg machen können.«
» Danke, Therese».
Natalie drehte sich um und wollte gerade zu ihrem Mann gehen, als ich sie am Arm festhielt.
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