Blütenrausch (German Edition)
dass das Servieren während der Abwesenheit meiner Frau beginnt. Haben Sie sonst alles unter Kontrolle?«
Der frisch Vermählte musterte mich eindringlich mit seinen dunklen Augen. Seine Stimme hatte einen etwas schärferen Ton angenommen. Unterbewusst gab er mir wahrscheinlich die Schuld an dem Geschehenen, ich war ja schließlich für den reibungslosen Ablauf der Hochzeit zuständig.
Ich versicherte ihm mit meinem besten Lächeln, dass alles glatt lief, und er sich keine Sorgen zu machen brauchte. Dass sich in dem Moment hinter den Kulissen die nächste kleine Katastrophe anbahnte, konnte ich ja nicht ahnen.
»Kommst du mal kurz?«, winkte mir der Saxofonist ‒ ich kann mir zwar sein Gesicht, immer schön braun gebrannt und mit einer Gauloise im Mund, aber nie seinen Namen merken ‒ mit dem Zeigefinger heran. Er stand am Ende des Ganges und wirkte etwas angespannt.
Ich hatte dem Chefkellner die kleine Verzögerung schon mitgeteilt und stand jetzt an der Tür des Festsaals für den Fall, dass mich jemand brauchte. Ich nickte dem Musiker zu, bevor ich aber meinen Posten verließ, warf ich noch einen kurzen Blick in den Saal, um mich zu vergewissern, dass keiner nach mir verlangte.
» Was ist denn?«, fragte ich beunruhigt, als ich vor ihm stand.
De r große Mann, der wie ein Bär in Anzug aussah, zögerte bevor er seine Antwort preisgab: »Nun ja ... ich glaube wir haben da ein kleines Problemchen.« Er hatte eine sehr leise Stimme, fast zu leise, und irgendwie nicht passend zu seiner Körpermasse. Jedes Mal, wenn ich ihn spielen hörte, war es mir schleierhaft, woher seine schwache Kehle die Kraft besaß, so laute Töne aus seinem Instrument zu zaubern.
» Probleme gibt es nicht, das will ich gar nicht hören!«, herrschte ich ihn schulmeisterlich an. Zuerst schluckte der Mann, bis er mein Grinsen bemerkte. »Vergiss es, was ist los?«
» Mina.«
» Nicht schon wieder! Was ist es diesmal?«
Der Saxofonist sah mich an und zuckte die Achseln. »Ich kann nichts dafür. Zu viel, zu schnell, nicht gemerkt.« Er sagte dies mit einem entschuldigenden Ton, dann machte er auf dem Absatz kehrt.
Ich folgte ihm bis zum Saal, in dem die Band nach dem Dinner ihren Auftritt haben sollte. Die Musiker tüftelten gerade konzentriert an ihrer Anlage. Als sie mich sahen, zuckten sie ebenfalls mit den Schultern.
» Wo ist sie?«, fragte ich, sowohl besorgt, als auch verärgert.
» Dort drüben«. Der Bassist, ein kleiner Mann mit prominenter Nase namens Franjo, deutete mit seiner Glatze in Richtung Nebenraum.
» Warum habt ihr denn nicht aufgepasst? Mittlerweile müsstet ihr doch wissen, wie sie ist. Ich hatte dem Servicepersonal ausdrücklich befohlen, ihr erst kurz vor Beginn der Show einzuschenken. Wie konnte also so etwas passieren?«
Franjo und Jerry, der ewige Sunnyboy, der den eigentlichen Keyboarder ab und zu vertrat und heute dabei war, sahen mich entgeistert an.
» Sie ist eine erwachsene Frau und wir keine Babysitter«, erwiderte der Saxofonist ohne seine Kippe aus dem Mund zu ziehen.
» Du irrst dich«, meinte ich. »Sie ist zwar eine Frau, benimmt sich aber wie ein kleines Kind, und wenn ihr wollt, dass ich euch in Zukunft weiterhin Jobs vermittele, dann habt ihr gefälligst dafür zu sorgen, dass so etwas nicht passiert. Ihr müsst sie immer im Auge behalten. Das war Teil der Abmachung. Also doch Babysitter.«
Das saß . Die Drei warfen sich einen Blick zu, ehe sich Franjo bei mir entschuldigte: »Es tut uns leid. Wir hatten gerade ein Problem mit der Beleuchtung und waren so damit beschäftigt, es zu beheben, dass wir nicht gemerkt haben, dass die Kleine eine Zeit lang nicht da war. Außerdem ist es lange her, seit dem letzten Mal.«
Franjo hatte recht. Das letzte Mal, als Mina so viel getrunken hatte, dass sie die Kontrolle verlor, war vor zwei Jahren. Damals passierte es allerdings erst, nachdem ihr Einsatz zu Ende war. Es war schon zwei Uhr morgens, sie hatte gerade Angel , von Aretha Franklin, gesungen. Das war immer ihr letztes Lied. Bis dahin hatte sie schon einiges getrunken, aber das merkte keiner ‒ dazu war sie zu professionell. Normalerweise werde ich nie so lange für eine Hochzeit gebucht, aber jenes Mal bestand das Brautpaar darauf. Als sie von der Bühne ging, sah ich sie eine Weile nicht. Dann machte ich mich auf zur Toilette und fand sie schlafend auf dem Boden, neben ihr eine leere Flasche Martini. Nachdem ich sie mithilfe ihrer Musiker ins Auto geschleppt hatte, schwor ich mir,
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