Blumenfresser
beteuerte, er sei jüdischen Glaubens, doch von den Geboten Moses’ oder von der Thora hatte er keine Ahnung. Am nächsten Tag fing das schneebedeckte Zsótér-Haus Feuer, die Flammen sahen aus, als habe man eine gewaltige Tulpe auf das Dach gesteckt. Eine junge Frau unter den Schaulustigen erlitt einen Anfall, interessanterweise wurde sie von den anderen nicht bedauert, eher beneidet.
Stecken Sie mir die Blume ins Haar, Herr Kigl, die dort!, sie zeigte auf die Feuerzungen, ihr Lachen gurgelte bald durch die Korridore des städtischen Irrenhauses.
Anspruchsvollere Herren ließen Schutzgummis aus Wien, aus der Mariahilfer Straße bringen, der Lieferant war ein linkischer, junger Mann mit beginnender Glatze, der Postbeamte Jenő Kigl, er bürgte für Diskretion und empfahl nur Waren, deren Qualität er aus persönlicher Erfahrung kannte. Er konnte Pariser aus Fischblasen empfehlen, unzerreißbare, selbstschließende, zigarrenförmige, solche mit Hasel- oder Walnussduft, beziehungsweise feine französische! Jenő Kigl kannte Wien gut, die Bezugsquellen für qualitativ hochwertige Pariser inbegriffen, er war in der Kaiserstadt geboren, sein Vater Ignác Kigl, ein Veteran von 1848, praktizierte dort als Rechtsanwalt, JenősGroßvater war jener Zeitungsredakteur zweifelhaften Rufs, den die Erde verschluckt hatte.
Der Rachenkatarrh griff weiter um sich. Das Interesse für den Maskenball des Lesezirkels am Mittwoch war so groß, dass die Anzahl der Teilnehmer begrenzt werden musste. Am fünften Februar wurde die Strafsache des Pferdehändlers Ferenc Guadi vor Gericht verhandelt. Guadi, dem Untreue vorgeworfen wurde, setzte seine frömmste Miene auf, doch mehrere der Geschädigten murrten, sie würden dieses Theater schon kennen. Sándor Dolli, Markeur im Kaffeehaus Löwe, den die Billardspieler oft beschuldigt hatten, er würde falsche Zahlen eintragen, erhängte sich im Alter von zweiundsiebzig Jahren. Nach der Leichenschau wurde der Tatbestand der Untreue festgestellt und die Schlussfolgerung gezogen, dass man auch als Greis fehlen könne und Alter die Seele nicht notwendigerweise veredle.
Am zehnten Februar wetterte der Bürgermeister im Gemeinderat gegen das in der Stadt bemerkbare Austreten von Gasen und das verseuchende Talgschmelzen. Ein Abgeordneter drängte auf die Trockenlegung der Sümpfe, die Beseitigung des Mülls auf dem Marsplatz und die Schließung der Tierkadaverdeponien. Auf dem Széchenyiplatz wurde eine Senkgrube an den Hauptkanal der Promenade angeschlossen, das Abwasser konnte das Herz der Stadt endlich auf geregeltem Weg verlassen. Der Wasserstand der Theiß steige, doch es gebe keinen Grund zur Beunruhigung, meldeten die Szegeder Nachrichten .
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Samenergüsse zur Unzeit, Schmerzen beim Wasserlassen, Lustseuchengeschwüre? Dr. Ernst erwartet Sie in Pest, Zweiadlerstraße 24. Ein Gentleman, der auch das so traurige Unvermögen der Männer kuriert! In Szeged konnte unbefriedigtes Mannsvolk die Talstraße aufsuchen. Das Freudenhaus war nicht gerade für erstklassige Hygiene bekannt, doch wenn Gäste kamen, in Mietkutschen mit Vorhängen, unter dem Schutz der Dunkelheit, dann nicht, um sich nach der Sauberkeit der Matratzen zu erkundigen. Im Hotel Hungária gab es Sauerkraut, Pilsener Bier, Kaffee und ungarischer Wein, es spielte die Kapelle von János Páczi!
An der Ecke des Fischmarktes, nicht weit vom Schäffer-Haus, unterhielt sich Rabbi Lipót Löw mit dem Knopfhändler Derera, der sich, wie bereits die ganze Stadt wusste, seit Wochen auf den Tod vorbereitete. Er bat in einer heiklen Angelegenheit um Rat, ob nämlich bei der Herstellung des Sarges sein Schreibtisch verarbeitet werden dürfe, wie es in mosaischen Kreisen übrigens nicht ungewöhnlich war. Der Rabbi summte zwischen zwei Sätzen, er hatte ein ausgeprägt musikalisches Naturell. Schließlich stimmte er zu, Derera schlurfte davon und hatte sogleich vergessen, dass er todkrank war.
Am ersten März
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