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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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dem Schlaf, was ist das, was ist los?! Gendarmen?! Häscher? Räuber?!
    Nichts, nichts, ich habe nur schlecht geträumt, mein Lieber, es ist schon vorbei, flüsterte sie und schlug sich im Dunkeln mit der Faust gegen die Stirn, und als sie wieder das Schnarchen ihres Mannes hörte, begann sie zu sprechen.
    Nicht wahr, du hast es gehört, du Rindvieh! Du hast es gehört, dass ich zu dir geschrien, gekreischt, gekeucht habe! Das gefällt dir, nicht wahr? Du findest es schön, nicht?
    Und sie tat es noch einmal, doch jetzt dauerte es lange, es begann schon wehzutun, aber sie hörte nicht auf, Tränen liefen ihr in den Mund, und als ihre Lust endlich auf dem Höhepunkt war, fiel sie in Ohnmacht.
    Sie kam tagelang nicht zu sich.
    Der Hausarzt untersuchte sie besorgt, ihre Finger waren blutig, doch eine Wunde fand er nicht an ihnen, eine Wunde fand der betagte, krumme Mann woanders. Zsófia war nicht auf eine Weise krank, wie Menschen sonst an irgendeinem Übel leiden. Und vielleicht war sie gar nicht krank, doch sie spürte, wenn Regen nahte, und wies die Dienstboten an, keine Wäsche aufzuhängen. Zsófia hatte sich verändert, nicht nur ihr Körper, der sich der Steppe des Tieflands schlank wie nie zuvor präsentierte, auch ihr Charakter hatte eine Wandlung durchgemacht, er war hart, entschlossen und zielbewusst geworden. Die Wüstenblume widmete ihr Leben dem Glück ihrer Familie und dem Wohlergehen ihrer Kinder, oft mischte sie sich in wirtschaftliche Dinge ein, mit gutem Gespür gab sie Ratschläge in Fragen, die Ackerbau und Tierhaltung betrafen. Sie beschnitt gern Bäume, dochsie harkte auch und pflanzte Setzlinge. Ihr Mann, der infolge eines neuerlichen Pferdetritts nicht nur hinkte, sondern auch stotterte, stellte auf ihr Anraten einen wortkargen Mann jüdischer Abstammung als Verwalter ein, einen gewissen Salamon Mózes, der das Vertrauen rechtfertigte, denn zum guten Teil war es ihm zu verdanken, dass das Gut wieder aufblühte.
    Eines Tages blieb Salamon vor Zsófia stehen und bat sie, seine Finger anzuhauchen.
    Zsófia wunderte sich, doch sie kam seiner Bitte nach.
    Salamon griff in seine Jackentasche, zog einen Brief hervor und steckte ihn ihr zwischen die zitternden Finger. Der Brief war an die Wüstenblume gerichtet, es bestand kein Zweifel, wer ihn geschrieben hatte. Zsófia erbleichte, der Boden glitt unter ihren Füßen hinweg, und wäre Salamon nicht hinzugesprungen, sie wäre wohl ins Blumenbeet getaumelt. Er führte sie bis zu der Bank in der Rosenlaube, und nachdem man ihr mit einem in Eiswasser getränkten Tuch die Stirn gekühlt hatte, riss Zsófia den Brief auf, der mit blauer und roter Tinte geschrieben war. Das Weinen, in das sie nach dem Lesen ausbrach, würden die Angestellten des Guts nie vergessen. Das war der erste Brief, dem noch eine ganze Reihe folgte, es sah so aus, als hätte Peter sie geschrieben, um auf Zsófias Gedanken und Gefühle zu antworten und auf die wundervollen kleinen Sünden, die sie für ihn beging. Nach einem weiteren Brief wurde Zsófia gereizt, ihre Leidenschaft wandelte sich in Angst, und Salamon sah sie häufig weinen. Einmal wandte sie sich ihm zu, ihre Augen schwammen in Tränen.
    Es ist nicht zu Ende, nicht wahr, es ist nicht zu Ende?, jammerte sie, sich an seinen Arm klammernd, doch Salamon antwortete nicht. Eines Tages erklärte sie Salamon versonnen, sie wolle wissen, wer bei Peters Begräbnis dabei gewesen war.
    Warum ist das jetzt noch wichtig?!
    Er solle es ihr überlassen, was sie für wichtig halte und was nicht, sie wolle die Frauen wissen, mit Namen, die dort gewesen waren!, flüsterte sie wie von Sinnen. Salamon behauchte seineFinger, nickte gedankenverloren, um Zsófia einige Wochen später mit einem vertraulichen Lächeln in den Mundwinkeln beiseite zu ziehen.
    Niemand, flüsterte Salamon, keine einzige Frau hat Peter Schön auf seinem letzten Weg begleitet.
    Sicher?
    Ganz sicher, auch Herr Schütz hat es bestätigt, sagte Salamon.
    Zsófia seufzte, gut, und doch bin ich dort gewesen.
    Die beiden letzten Jahre ihres Lebens verbrachte sie in einem widernatürlichen Glückszustand, sie tat nichts anderes mehr als zu warten. Sie hatte recht. Im letzten bewussten Moment ihres Sterbens beugte sich der Verwalter des Guts über sie und bat sie flüsternd, ihm auf die Finger zu hauchen.
    Zsófia lächelte kraftlos und tat wie gewünscht.
    Sie sah noch den Schatten des Papiers vor ihrem Gesicht, aber die Buchstaben offenbar schon nicht mehr, denn im nächsten

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