Blumenfresser
ihnen ins Mark. Sie weichen zurück bis zur Schwelle und klammern sich an Klinke und Türstock. Der alte Mann hat sich aufgerichtet und ist, gleich einer fürchterlichen Weltmühle, in ein homerisches, knirschendes Gelächter ausgebrochen, der kümmerliche Leib gibt Laute von sich wie das Himmelsgewölbe selbst, wenn es einstürzt, wie das Gesicht der Erde, wenn ein Riss aufklafft.
Ich höre sie, auch jetzt höre ich sie!
Ich höre meine Lieben!
Und die ungeschlachten, starken Burschen laufen in ihre eigene, zum Untergang bereite Welt zurück. Sie haben genug von der Tortur, oder sie sind zu Tode erschrocken, das ist im Grunde einerlei. Der alte Mann hört ihr Getrampel im Laubengang, eine Kiste bekommt einen Tritt, das Holz splittert, Späne rieseln. Das Gartentor knarrt für sich, wie ein vergessener Chronist. Der Doktor starrt blind in das Licht seiner Lampe, lauscht, die Stirn gesenkt. Eine Lappalie, es sind eben nur alle weg, alles ist weg. Die Straßen sind leer, der Wind rüttelt an den Ästen. Das leise Summen mag vom nahen Kaffeehaus kommen, denn immer noch füllen sich abends die Kneipen, Kaffeehäuser und Gasthöfe, Rauch verfliegt, Menschenwort verhallt.
Er aber hört die Stimmen, er hört Klaras Rufe und ihr Flüstern.
Er hört sie immer noch!
Der alte Mann weint, aus seinen blicklosen Augen rinnen Tränen, er tastet um sich, in seinem Haus ist das Oberste zuunterst gekehrt, die Schubladen sind herausgerissen und umgestülpt, die Kisten zerbrochen. Die Wiener Wanduhr mit der Kette hat einen hellen Fleck hinterlassen, nicht mehr. Das ist von der Zeit geblieben, ein heller Fleck irgendwo an einer Wand, sie selbst ist unsichtbar.
Doch das verödete Haus bedeckt ein dicker Blütenteppich!
Der Doktor kaut Blüten, geistesabwesend, mit wachsendem Genuss.
So ist es also gewesen, so ist es geschehen!, schreit er.
Ist es gut so?!
Aber natürlich ist es gut so!
Anders hätte es gar nicht sein können!
Herr Schütz brüllt und gestikuliert.
Wer zu behaupten wagt, es hätte auch schöner sein können, dem soll die Nacht am Herzen fressen!
Das macht auch den Wind wild, er tobt heulend über den Dächern, reißt an Schindeln, Schilf und kahlen Bäumen. Schwarze Wellen belagern die durchweichten, langsam nachgebenden Ufer. Der Himmel, gegen Abend noch brennendrot, jetzt nur noch schwarz wie ein abgetragener Bergmannskittel. Wer Sternenlicht sieht, phantasiert! Auch Mitternacht geht vorüber, der Tag ist zu Ende! Blase, Wind, blase, heule! Auf der Budaer Straße fliehen weinende Menschen, sie treiben Ferkel und Ziegen vor sich her, das Geheul der Sturmglocken begleitet sie. Auf der Budaer Straße stürzt ein Fuhrwerk in den Graben, Hühner und Enten stieben auseinander. Auf der Budaer Straße quietschen Kolonnen trauriger Karren! Auf der Budaer Straße eilen Soldaten zurück in die Stadt, ihre Gesichter leuchten bleich!
Und dieses schreckliche Geräusch ist sicher das Brausen der Flut!
Schon ergießt sich das Wasser mit Gebrüll über die Stadt!
Es ist geschehen, es ist also geschehen!
Dumpf dröhnen entsetzte Glocken. Der Doktor beugt sich aus dem Fenster, er horcht, und die Musik dort unten, die über das Brausen, die Glockenklänge, über das Bellen des Windes und das Jammern der Menschen hinwegwogt, die Musik des Grasmusikanten, sie wird immer lauter.
Wilde Mimose
Leichte Spaziergänge am Ufer des Nichts
Du bist wie ein Birkenzweig, meine Kleine, du biegst dich nur, brechen kannst du nicht! Du musst wissen, es gibt Arten des Lachens, die fügen der Welt Schaden zu. Der Schaden wird wiedergutgemacht, Erde fällt auf Erde, ein Wind jagt den anderen vor sich her, das Gute paart sich mit dem Schlechten. Wenn du lachst, bekommst du Grübchen, deine Augen glänzen wie der Fingerhut eines Schneiders, und auf der anderen Straßenseite, unter dem Ladenschild des Schusters, bleibt ein Herr mit Spazierstock stehen und runzelt die Stirn, soll er eine vertrauliche Mitteilung über das Wunder verfassen? Dann lacht er laut auf, dabei ist er ein gemeiner Hund, ich weiß es. Papierbänder reißen in deiner Hand, doch ein Grashalm, der sich um deinen Finger wickelt, ist auch am nächsten Tag noch frisch und grün. Mitten in der Hand hast du ein rotes Mal, vielleicht der Fußabdruck eines Engels. Bei deiner Geburt kam er angeflogen und hat auf deinem Händchen getanzt.
Du heißt Klara Pelsőczy!
Ein schöner Name, ein vornehmer Name!
Mich hat die Familie verstoßen, an einem stürmischen Tag, als die Winde
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