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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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pfiffen und der Wetterhahn quietschte. Recht hatten sie! Ich habe ihnen zu viel erzählt, den Onkeln mit den kecken Schnurrbärten, die ihre Dienstboten züchtigten, den Tanten mit den Spitzenkrägen, den johlenden Geschwistern, ich habe ihnen zu viel erzählt von Welten, die es nie gegeben hat, auch wenn es sie hätte geben können. In der Welt, in der ich lebe, ist Gott nicht zu sehen, und ich rufe Ihn auch nicht. Meine Familie hat mich verstoßen. Was sollten sie auch mit einem Kerl, der im Fleischsuppendunst von Festtagstischen aus Knochen Pyramiden baut, sich Schokolade ins Gesicht schmiert, der dem Priester in derKirche ins Wort niest und Flaumfedern von Taubenküken verbläst, wenn die Verwandten in ihrem patriotischen Sonntagstaat auf den Tisch schlagen und mit jedem zweiten Wort Ungarn, Ungarn im Mund führen!
    Du bist mein Fleisch und Blut, und wenn du fliegen möchtest, flieg mit mir. Wenn du hässliche Worte hörst, stör dich nicht daran. Wenn du nach dem Schicksal fragst, so kann ich dir nur sagen: Eine Kirche, einen Glauben, einen Prediger wirst du immer finden, doch musst du wissen, dass für unsereinen nur die Gnade der Widerspenstigkeit bleibt. Ich trinke und spiele, ich bin schlecht wie die vagabundierende Nacht. Meine Augen sind rot, mein Gesicht gedunsen, die Finger zittern wie Zweige im Herbst, und mich schwindelt, wenn ich meinen Morgenkaffee schlürfe. Unwichtig! Ich fliege mit dir davon, wann immer du willst! Nie werde ich sagen: jetzt nicht! Schenk mir ein, aus der Flasche dort, danke.
    Meine Kleine, ich bitte dich inständig, hab keine Angst vor deiner Mutter! Zittere nicht vor ihr, nicht vor ihrer Gekränktheit, die schon morgens mit dem Dampf aus der Teekanne steigt! Für die Angst bin ich zuständig, dein Vater! Ich habe Angst vor deiner Mutter! Auch die Angst hält uns zusammen.
    Sei nie beleidigt!
    Sei nur verletzt, denn verletzt zu sein hat mehr Anmut!
    Jetzt blase ich dir Zigarillorauch ins Gesicht − nimm es hin, huste nicht!
    Ich bin dein Vater! Ich drücke deine Hand, deinen dünnen Arm, weine nicht! Ich umarme dich, ziehe dich an mich, meine Hemdsärmel riechen muffig, das musst du aushalten. Wenn ich sterbe, weck mich auf! Ich bin dein Vater! Halt aus, dass ich dich auf diese Art liebe! Auch deine Mutter liebt dich, aber sie liebt dich anders.
    Ich, der weise und unnachahmliche László Pelsőczy, habe beschlossen, verletzt zu sein. Weißt du, dass wir in einer beleidigten Stadt leben? Wenn sie verletzt wäre, könnte ich sie vielleicht lieben. Doch diese Stadt ist gesund und intakt. Sie verkauft selbsteine Erbse als Melone! Was sie hat, genügt ihr nicht, zugleich brüstet sie sich mit dem, was sie nicht hat. Und weil niemand ihr glaubt, ist sie beleidigt.
    Das Mädchen lief auf den Hof hinaus und rief, als würden ihr die Worte mit einem Zwirnsfaden aus der Kehle gezogen, Mama, das Fenster will nicht, dass ich hineinsehe! Mama, die Bäume machen sich über mich lustig! Das Feuer in der Küche will, dass ich sein Herz streichle!
    Die Bewegungen der Frau knirschten, das Licht durchschnitt ihr Gesicht, sie blickte in die Richtung, wo sie ihren Mann hatte verschwinden sehen. Am Himmel hasteten Wolken dahin, den krummen Maulbeerbaum am Zaun schüttelte der Wind. Pelsőczy hatte sich die Jacke übergeworfen, die Schuhspitze am Hosenbein abgewischt und war fortgegangen, vorher aber hatte er dem Mädchen schon wieder den Kopf vollgeschwatzt! Tränen in den Augen, lief Klara zur Mutter und zeigte ihr die Blase am Finger. Das hast du dir selbst getan, zischte sie, heile es auch selbst! Klara suchte schniefend nach der Kanne mit der sauren Sahne, sie hatte nicht zum ersten Mal ins Feuer gefasst. Es wurde Abend. Ohne dass sie es bemerkten, schrumpfte die Welt zu einem grauen Fleck, dann fingen die Schatten an zu tanzen, bis endlich alle Formen und Gestalten von der Dunkelheit verschlungen wurden. Mehrmals knirschte der Feuerstein, bevor die Kerze Feuer fing.
    Auch Kerzen sind junge Mädchen, Kerzen tanzen!
    Wie schön das schlanke gläserne Lämpchen ist!
    Die Mutter saß mit steifem Rücken da, sie häkelte, sprach mit sich selbst, ihre Lippen bewegten sich, sie zählte die Maschen. Irgendwann begann sie zu lesen, ließ die Zeitung jedoch bald wieder sinken und häkelte weiter. Der Tee in der Tasse wurde kalt, er ließ einen braunen Ring zurück, doch wie weiß war der Zucker! Klara steckte ihren abgeleckten Finger hinein − Diebstahl! Reglos sah die Mutter zu, ihr Murmeln verstummte.

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