Macabros 047: Formonatio - Welt des Unheils
War sein Leben ein Traum – oder der Traum sein Leben? Der
Mann, der im dunklen Zimmer auf einem breiten Bett lag, wußte
es nicht.
Er hielt die Augen geschlossen. Tiefe Atemzüge hoben und
senkten die Brust des Schläfers. Hinter den geschlossenen Lidern
des Mannes zuckte es, als ob er Bilder verfolgte.
Der Mann hatte braunes Haar, ein gut geschnittenes,
männliches Gesicht und ein energisches Kinn. Er war es gewohnt,
schnelle Entscheidungen zu treffen.
Sein Name war Chas Morgan.
Aber – war er auch Chas Morgan?
Drei Sekunden lang hielt die Gestalt den Atem an, ganz von einem
Gedanken erfüllt.
›Ich bin nicht Chas Morgan!‹ dachte er. ›Ich bin
– Björn Hellmark! Ich lebe auf der Erde, im zwanzigsten
Jahrhundert – und ich träume davon, ein Mann zu sein, der
im vierundzwanzigsten Jahrhundert lebt! Dieser Mann ist Chas Morgan,
aber diesen Mann gibt es nicht! Er ist eine Traumgestalt! Ich werde
gleich aufwachen… Gott sei Dank, ich werde gleich
aufwachen… dann werde ich Carminia sehen, werde auf Marios sein,
bei Rani und Pepe… aber nein. Das ist ja gar nicht möglich!
Ich bin nicht mehr auf Marios, ich habe den Spiegel der Kiuna
Macgullyghosh passiert und bin auf der anderen Welt angekommen, einer
Welt, auf der die Stadt Tschinandoah liegt… die ein Geheimnis
birgt, eine Botschaft, die Molochos’ Kräfte schwächen
wird… aber ich bin zu spät gekommen. Die Erlebnisse mit
Tamuur, dem Scharlachroten, haben einen entscheidenden Fortschritt
vereitelt, denn Tamuur ist grausam und tut den Willen Molochos’
und Rha-Ta-N’mys. Danielle…!‹
Die hübsche, kleine Französin, Tochter des Comte de
Noir, fiel ihm plötzlich ein. – Er sah ihre dunklen,
lieblichen Augen vor sich, ihre schön geschwungenen, feucht
schimmernden Lippen… Danielle… auf der Welt der
Hexendrachen hatte sich ihre Wandlung vollzogen. Sie war eine Hexe,
weil ihr Vater sie einem Dämonenfürsten zur Frau versprach.
Als Gegengabe erhielt er magische Kräfte und Macht über die
Menschen. Aber in der Stunde seines Todes erkannte er die
gefährliche Sackgasse, in die er sich und seine Tochter gelotst
hatte. Er selbst konnte sein Schicksal nicht mehr verändern.
Aber er wollte nicht, daß seine Tochter, für die er
Schönheit und ewige Jugend erreicht hatte, für alle Zeiten
der Willkür der finsteren Mächte ausgesetzt war. Er brach
sein Versprechen – und handelte damit einen Bannfluch ein.
Danielle de Barteaulieé konnte nicht mehr getötet werden,
aber die höchste Dämonengöttin, Rha-Ta-N’my
selbst, hatte sie dennoch in ihrer Hand. Sie forderte Hellmarks
Leben. Mehr als einmal unternahm die Französin den Versuch,
ihren Begleiter im Schlaf umzubringen. Aber sie schaffte es nicht,
den letzten Schritt zu tun. Im Grund ihres Herzens war sie nicht
schlecht, war sie keine Hexe. Die Liebe zu Björn Hellmark hatte
die letzten Spuren verwischt, was ihren Gehorsam gegenüber der
Dämonengöttin anbetraf.
Wie ein Film liefen vor seinem geistigen Auge die Dinge ab.
Er war sehr ernst.
Das Vergangene war nicht abgeschlossen.
Neue Bilder kamen, und er war mitten drin.
Eine sonnenüberflutete Landschaft! Hinter tropischen,
fremdartig anmutenden Gewächsen erhoben sich
himmelstürmende Berge.
Hellmark sah sich mit einem Schwert bewaffnet, von unheimlichen
Echsen umringt.
In seiner Erinnerung stiegen Dinge aus einer noch ferneren
Vergangenheit empor. Sein Hirn war frei, sein Empfinden seltsam
gelockert, aufnahmefähig für Bilder und Eindrücke, von
denen er ebenfalls nicht wußte, ob sie Traum oder Wirklichkeit
waren.
Er erlebte das, was er sah, und erblickte die Dinge nicht als
Zuschauer. Er war der Akteur. Er war endlich frei von den
quälenden Gedanken, von den unnützen Versuchen,
herauszufinden, wer er wirklich war und was er eigentlich wollte.
Er stürzte sich in den Kampf.
Das Schwert des Toten Gottes wirbelte zischend durch die Luft.
Die Fetzen flogen…
Wo der magische Stahl die schuppigen Echsen auch nur
berührte, da lösten sich fauchend schwefelgelbe Wolken aus
den explodierenden Körpern. Der besondere Stahl vernichtete nur
Substanz, die aus dem Reich der Finsternis und Magie kam.
Widersacher aus Fleisch und Blut, die mit den Dämonen
gemeinsame Sache machten oder menschliche Verbrecher, die ihm ans
Leben wollten, verletzte das Schwert nur und machte sie
kampfunfähig.
Die drei geflügelten Dämonenechsen waren im Nu von dem
flinken blonden Mann besiegt, der das federleichte Schwert ohne
besondere Anstrengung
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