So erregend rätselhaft (German Edition)
1. KAPITEL
Als das Taxi vor dem weitläufigen, aber scheußlichen Anwesen hielt, das sein Bruder Zuhause nannte, rieb sich Dex Messina die Stirn. Mann, war er müde!
Er wurde zu alt für diesen Job. Gerade hatte er in Antwerpen eine Woche lang sechzehn Stunden am Tag gearbeitet, um für Messina Diamonds die Eröffnung der neuen Diamantschleiferei vorzubereiten. Zusätzlich hatte der Sieb-zehn-Stunden-Flug von Belgien – einschließlich eines sechsstündigen ungeplanten Aufenthaltes in New York – ihn geschafft.
„Ist es das hier?“, fragte der Taxifahrer.
„Ja, genau.“
Da sich bei der Renovierung seines Lofts in der Stadt Schwierigkeiten ergeben hatten, lebte Dex bei seinem Bruder Derek. Eine Situation, die ihnen beiden nicht gefiel und nun schon viel zu lange andauerte. Allerdings hielt er sich nicht häufig hier auf. Und wenn er zwischen seinen Auslandsreisen tatsächlich einmal Zwischenstopp einlegte, musste er wenigstens nicht mit seinem Bruder unter einem Dach wohnen, denn Derek besaß ein Gästehaus.
Dex gab dem Fahrer fünfzig Dollar und stieg aus. Mit seiner abgenutzten Segeltuchtasche über der Schulter ging er den gewundenen Weg zum Haus entlang. Es war von mächtigen Eichen und perfekt geschnittenen Sträuchern umgeben und war von der Straße aus kaum zu sehen. Außerdem hatte man so das Gefühl, sich gar nicht mehr im exklusiven Stadtteil Highland Park in Dallas zu befinden.
Eine Ecke der Villa war mit Efeu bewachsen. Die niedrige Steinmauer wirkte alt und bröckelte an einer Seite. Beides sollte den Eindruck nobel verfallender Aristokratie vermitteln.
Alles in Dereks Leben war so. Perfekt. Kontrolliert. Protzig.
Am liebsten hätte Dex sein Motorrad aus der Garage geholt und auf dem gepflegten Rasen seines Bruders ein paar Reifenspuren hinterlassen.
Aber wahrscheinlich hätte er es sowieso nicht getan. Mittlerweile war er ein geachteter Mitarbeiter im Familienunternehmen. Ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft.
Warum hatte er auch nur …
Wie angewurzelt blieb Dex kurz vor der Mahagoni-Eingangstür stehen.
„Was zum …“
Wie gebannt sah er sich den Autokindersitz an, der mitten im Weg stand, nur um sicherzugehen, dass er keine Halluzinationen hatte.
Kein Zweifel, es war tatsächlich ein Autokindersitz.
Neben dem Sitz stand eine mit lachenden Teddybären bedruckte Tasche. Viel beunruhigender als der Kindersitz war allerdings, was sich darin zu befinden schien. Ein Haufen Decken, aus dem ein rosa Babymützchen hervorlugte.
Dex ging in die Hocke, um sich das Ganze näher zu besehen, doch dann hatte er eine bessere Idee. Hastig zog er das Handy aus der Tasche und rief seinen Bruder an.
„Bist du zu Hause, Derek?“
„Ja. Sag nicht, du hast deinen Flieger verpasst. Ich brauche dich morgen im Bü…“
„Nein. Ich stehe direkt vor der Tür. Vielleicht möchtest du ja mal für einen Moment zu mir rauskommen.“
„Warum rufst du dann an?“, fragte Derek ungeduldig.
„Komm einfach raus“, sagte Dex und klappte sein Handy zu. Er hockte immer noch vor dem Autokindersitz und betrachtete ungläubig den darin befindlichen … Wonneproppen, oder wie auch immer man dazu sagte.
Fünf Minuten später erschien Derek. Offensichtlich hatte er gearbeitet. Er trug keine Krawatte, die Ärmel seines weißen Oberhemds waren aufgekrempelt. „Hoffentlich hast du eine gute Erklärung dafür, dass ich unbedingt nach draußen kommen sollte.“
Dex erwiderte nichts, sondern wartete bewegungslos auf die Reaktion seines Bruders. Wenn er nicht selbst so völlig fassungslos gewesen wäre, hätte er die Situation vielleicht amüsant gefunden.
Derek sah den Kindersitz an. „Soll das ein Witz sein?“
„Falls es einer ist, habe ich nichts damit zu tun.“
„Du hast dieses Ding da nicht mit nach Hause gebracht?“
Dex musste trotz allem lachen. „Nein. Ich habe aus Antwerpen kein Baby mitgebracht. Ich nehme an, das wäre illegal.“
„Wie kommt es dann hierher?“
„Es stand schon hier, als ich grade aus dem Taxi gestiegen bin.“ Mit einer Lässigkeit, die er keineswegs empfand, beugte sich Dex über den Sitz und zog die Decken beiseite. Zum Vorschein kam das Köpfchen eines schlafenden Säuglings. Die Haut des Babys erschien ihm im Mondlicht unglaublich blass, der kleine rosige Mund war der einzige Farbtupfer in seinem Gesichtchen.
Das Kleine lag so still da, dass Dex nicht einmal hätte sagen können, ob es atmete. In einem Anflug von Panik zog er die rosafarbene Decke weg und presste
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