Blut Schatten
gedreht.
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass du ein Instrument spielst?« Hüpfend umrundete ich ihn und kam wieder vor ihm zum Stehen. »Das hat mich überrascht.«
»Du hast nie gefragt«, meinte er verlegen, nahm mich bei den Händen, und wir tanzten im Kreis. »Und so gut bin ich nun auch wieder nicht.«
»Es klang professionell, soweit ich es beurteilen kann.«
»Ein Profi hätte mir sicherlich eine andere, weniger diplomatische Antwort gegeben. Aber danke, liebste Schwester.« Die Musik endete. Er nahm meinen Arm und führte mich an die Mauer. »Schön hier, nicht wahr?«
Für einen kurzen Moment standen wir Seite an Seite und blickten zusammen über den See, hörten hinter uns das Lachen der Gäste. Dann wandte ich mich zu ihm um. »Du hast diese abgelegene Stelle doch nicht aufgesucht, um mit mir über die Aussicht bei Nacht zu sprechen, Alistair.«
»Nein.« Er sah mich ertappt an. »Nein, sicher nicht. Aber ich hielt es für eine gute Einleitung.«
»Wofür?«
Sehr ernst geworden, nahm er meine Hände sanft in seine und sah mich an. »Für meine Entschuldigung, Faye. Dafür, dass ich dich unterschätzt habe, und dafür, dass ich nicht gleich erkannt habe, was dein Mann ist, und vor allem, was ex für dich ist. Nein.« Sein Finger berührte meine Lippen. »Lass mich einfach reden, sonst verliere ich den Faden. Ich habe mich geirrt, Schwesterherz, und dazu stehe ich. Dein Mann ist vermutlich das Beste, was dir passieren konnte, denn er weiß wohl als Einziger, wie er dich und bald das Kleine beschützt. Spätestens seit heute dürfte jeder kapiert haben, dass ihr zusammengehört.« Mit einer Aufrichtigkeit, die nur aus den Tiefen seines Innern kommen konnte, legte er die rechte Hand auf sein Herz. »Ich wünsche euch alles Glück dieser Erde und befürchte dabei, dass ihr es brauchen werdet. Und ich gelobe: Wann immer ihr mich braucht, werde ich da sein.«
Der Kloß in meinem Hals ließ nur ein heiseres »Danke« zu. So stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küsste meinem Bruder voll Anerkennung seiner Worte stumm auf die Wange.
»Ach du meine Güte.« Seine Arme umfassten mich wie Schraubstöcke, ich wurde hochgehoben und gefühlvoll an ihn gedrückt. Dann ließ er mich wieder herunter und lachte mich mit blitzenden, leicht feuchten Augen an. »Jetzt ist aber genug mit diesen Gefühlsausbrüchen. Das wird ja fast peinlich. Wir wollten doch feiern, tanzen und uns freuen, und nicht in rührseligen Sturzbächen ertrinken.«
Ich nickte zustimmend, wischte mir verstohlen eine glitzernde Träne aus dem Augenwinkel und lehnte mich für einen Moment an seine Brust. Fast schien es, als wäre die Wärme seiner Umarmung von diesem Moment an von einer anderen Qualität, als gäbe sie mir noch mehr Sicherheit, als sie es ohnehin immer getan hatte. Es schwang in ihr das Versprechen mit, das er gegeben hatte.
Das entfernte Heulen eines Wolfes zerriss die Stille und brachte mir schlagartig das Geschehen auf dem Parkdeck zurück ins Bewusstsein. Auch Alistair schien sich daran zu erinnern; ich bemerkte es am Zucken seines Arms, der mich weiterhin umfangen hielt.
Erschrocken sah ich zu ihm auf. »Glaubst du ...?«
»Nein«, erwiderte er schnell. »Hier im Park ist ein Zoo, Faye. Es ist eher wahrscheinlich, dass es von da kommt.«
»Haben sie dort Wölfe?«
Er zuckte mit den Achseln. »Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht. Aber ich weiß, dass es im Central Park keine frei laufenden Wölfe gibt. Abgesehen davon wird sich kein anderer in unsere Nähe trauen. Woher sollte es also sonst stammen?«
Abermals ertönte dieses lang gezogene, einsame Heulen, und mein Bruder griente mich schelmisch an. »Was meinst du, wollen wir ihm antworten?«
Ohne auf meine Antwort zu warten, legte er seine Hände trichterförmig an den Mund und ahmte sehr authentisch das Heulen eines Wolfes nach. Ich musste lachen, als aus der Dunkelheit prompt eine Antwort erklang. Doch bevor er nochmals heulen konnte, legte ich ihm die Hand auf den Arm. »Lass gut sein, Alistair. Der arme Wolf denkt sonst, hier steht ein Artgenosse, und buddelt sich unter dem Zaun durch, um ihn zu suchen.«
Ich erhielt ein amüsiertes Blinzeln. »Du hast recht. Überlassen wir ihm die Nacht. Komm, ich bringe dich zu Darian. Er sieht schon die ganze Zeit zu uns herüber und fragt sich sicher, welchen Unfug wir hier treiben.«
Alistair geleitete mich zurück zu meinem Mann, der neben Jason stand, sich mit ihm unterhielt und uns nebenbei im Auge behalten
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