Blut und Rüben
worden ...
Ollies Morgan parkte am Straßenrand. Der Jungspund winkte mir aus dem Wagen heraus fröhlich zu. Ich fand es zu affig, zurückzuwinken. Also setzte ich mich in Bewegung und ging zu ihm.
»Da sind Sie ja«, sagte er. »Am besten, Sie fahren voraus, dann verfahre ich mich auch nicht wieder.« Er zwinkerte mir zu. Ich verstand nicht, wie er sich hatte derart verfahren können. Nun ja, er war nicht von hier.
»Einverstanden«, sagte ich.
»Verzeihen Sie, aber es war alles sehr anstrengend für mich.« Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ich bin Nonstop hierher gefahren, sofort als ich die Nachricht bekam. Ich habe mich in meinen Wagen gesetzt, bin durch den Channel hindurch und – schwupps – war ich hier.«
Besagte Nachricht hatte die Gräfin bereits vor vier Wochen abgeschickt. Dennoch, wie er so dastand und wie ein Häufchen Elend auf meine harsche Antwort reagiert hatte, regte sich bei mir das schlechte Gewissen. Vielleicht war er ja doch so unbedarft, wie er tat.
»Oben an der Ruine hat sich etwas Schreckliches ereignet. Ein Mord.«
»Allmächtiger!«
»Ja, der kann jetzt auch nicht mehr helfen. Jedenfalls sollten wir der Gräfin zunächst nichts davon erzählen. Sie regt sich immer schrecklich auf.«
Ollie nickte eifrig. »Ich verstehe.«
»Ich fürchte, Sie sind sich des Ernsts der Lage nicht ganz bewusst.«
Eine Polizeisirene war zu hören. Sie näherte sich aus Detmolder Richtung. Wahrscheinlich würde es hier bald vor Schaulustigen wimmeln. Dennoch war es wichtig, dass Ollie kapierte, dass er den Mund halten sollte. »Als der Major, also Ihr Großonkel, vor einem Monat starb, erlitt die Gräfin einen Nervenzusammenbruch. Wir mussten sie in eine Nervenklinik einweisen lassen. Sie ist erst vor ein paar Tagen wieder entlassen worden. Allein die freudige Aussicht, dass Sie kommen würden, hat die Genesung bewirkt. Nach wie vor ist ihr Zustand jedoch sehr labil, verstehen Sie?«
Ollie nickte eifrig. »Sie darf nicht erfahren, dass dort oben ein Kopf gefunden wurde?«
Ich musste schlucken. »Und woher wissen Sie das?«
»Aus den Nachrichten.«
Ich war baff. Anscheinend war der junge Mann doch cleverer, als ich dachte. Er hatte die ganze Zeit gewusst, was an der Falkenburg ablief! Einmal mehr hätte ich Steffi Klug den Hals umdrehen können. Das wäre zwar ungerecht, denn eigentlich war sie ja nur die Überbringerin der schlechten Nachricht. Aber an irgendjemandem musste ich meine miese Laune auslassen. Leider war nur Ollie in meiner Nähe.
»Sie haben geblufft!«, sagte ich verärgert.
»Na ja, immerhin war ich nicht neugieriger als Sie«, gab er grinsend zurück. »Ich habe einen Polizeiwagen dort hochfahren gesehen, also bin ich ihm gefolgt, weil ich neugierig war. Und was hat Sie dorthin getrieben?«
»Reiner Zufall«, log ich. Mittlerweile hatte der Polizeiwagen uns erreicht. Es handelte sich um einen VW-Bus. Der Bus bremste mit quietschenden Reifen ab und kam schräg zum Stehen. Hollywoodreif, dachte ich. Jedenfalls war der Weg zur Ruine hinauf versperrt. Die Türen öffneten sich, und ein Rudel Bereitschaftsbeamter sprang heraus. Wahrscheinlich aus Bielefeld. Sie waren martialisch ausgestattet, und unter den Helmen schauten sie grimmig drein. Sie fächerten sich auf, sodass jetzt wirklich kein Durchkommen mehr möglich war.
Wohl keinen Moment zu früh, denn in dem Moment kam eine regelrechte Auto-Karawane herangeprescht. Neugierige, Schaulustige, unter ihnen wahrscheinlich auch Reporter. Ich fragte mich, warum sie erst jetzt kamen. Wahrscheinlich hatte man die Straße zuvor gesperrt.
»Was haben Sie hier zu suchen?«, fuhr mich einer der Uniformierten an.
»Ich habe mir nur ein wenig die Füße vertreten«, erwiderte ich. »Mein Hund musste Gassi.«
»Besser, Ihr Hund kackt woanders. Hier ist dicke Luft, verstehen Sie.«
Ich nickte. »Wir hatten sowieso gerade vor, zu fahren, nicht wahr, Ollie?«
Doch dieser erwies sich plötzlich als überaus widerborstig. »Dies ist ein freies Land, für das mein Vater und mein Urgroßvater im Krieg ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben. Niemals wird ein Dickens purer autoritärer Staatsgewalt weichen!«
»Kommt mal her!«, rief der Uniformierte. »Hier ist so ein Spinner, der uns irgendwas vom Krieg erzählen will.«
»Lassen Sie es gut sein«, flüsterte ich Ollie zu. »Denken Sie an die Gräfin!«
»Eben«, erwiderte Ollie. »Sie würde sich schämen, wenn Sie erführe, dass wir uns diesen Ton gefallen
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