Blut und Sünde
wollt ihr denn hin?«
»Wir schauen uns um. Hinter der Bühne und auch in den Garderoben oder in der Kantine.«
»Ja, aber…« Er überlegte und fügte hinzu. »Ist schon okay.«
Wir kannten das Theater nicht, hatten uns jedoch schon genügend in den Bauten aufgehalten, und irgendwo glichen sie sich alle. Deshalb waren die Wege auch nicht zu fremd. Jane behielt die Beretta und sorgte dafür, dass Sarah Goldwyn an ihrer Seite blieb. Stille umgab uns.
Hinter der Bühne gab es Platz genug. Zudem reichte die schwache Beleuchtung aus, um gewisse Gegenstände erkennen zu können. Wir sahen die Theaterstühle. Es gab Bänke, es gab auch gepolsterte Hocker, einen Schrank ohne Türen, in dem Requisiten aufbewahrt wurden, aber das alles interessierte uns nicht. Florence war wichtig!
Sie sahen wir nicht. Sie hielt sich auch nicht in der Inspizientenbude versteckt, und so kam eben nur die andere Seite für uns in Frage, denn dort begann der Gang.
Er war nicht breit. An der rechten Wand hatte jemand mit kunstvoller Schrift das Wort Bühnenausgang geschrieben. Als ich es sah, nickte ich den beiden Frauen zu, die ebenfalls damit einverstanden waren, dass wir diesen Weg nahmen.
Schritt für Schritt tasteten wir uns weiter. Die Stille blieb. Wir hörten keine Stimme, doch in Höhe der ersten Tür erreichte uns ein kühler Windzug. Wie ein leichter Lappen streifte er über unsere Gesichter hinweg.
Es war eine echte Kälte und nicht die, die manchmal von Vampiren ausging. Auch Jane war etwas irritiert. Sie runzelte die Stirn, als sie mich anblickte und ihre Lippen bewegte. »Wenn ihnen die Flucht gelungen ist, dann können sie sich gratulieren. Aber das kann ich nicht so recht glauben.«
»Abwarten.«
Jane löste sich von meiner Seite. Sie öffnete die erste Tür sehr schnell und schaute in einen Raum, in dem schwaches Licht brannte. Die zahlreichen Spiegel an der Wand gegenüber wiesen darauf hin, dass wir in eine Garderobe schauten, in der es zudem stark nach Schminke und Puder roch.
Der Raum war leer. Keine Untote, die sich versteckt hielt. Trotzdem war sie hier gewesen, denn auf dem Boden malten sich Blutspritzer ab. Tropfen, die beim Aufklatschen zerplatzt waren.
»Ich weiß, dass sie noch existiert, John«, sagte Jane. »Das sagt mir einfach mein Gefühl.«
»Die ist bestimmt nah!« flüsterte die Horror-Oma.
»Warum hat sie noch nicht angegriffen?«
»Keine Ahnung, John.« Die Detektivin ging weiter. Sie öffnete die nächste Tür, schaute in das Zimmer hinein und stieß ein Geräusch aus, das sich anhörte wie ein Fauchen oder ein Lachen. Ich wusste auch, was sie dazu gebracht hatte.
Der Blick über Janes Schulter reichte mir. Wir befanden uns in einem Kantinen- oder Pausenraum, in dem ziemliche Unordnung herrschte. Da lagen Dosen ebenso auf dem Boden wie Milchtüten. Sie wirkten wie von den Tischen weggefegt.
Jane drehte sich wieder um. »Das ist die nächste Spur, John. Ich rieche das schon.«
Lieber wäre es mir gewesen, sie hätte die Blutsaugerin gerochen, doch die lauerte woanders. Viel konnte uns hier im Gang nicht passieren, aber auch er war irgendwann zu Ende. Wir erreichten den hinteren Bereich des Theaters. Hier standen kleinere Kulissen und einige Requisiten. Aber die große Schiebetür, deren Umrisse sich abmalten, war nicht mehr geschlossen. Sie stand so weit auf, dass die Kühle der Nacht in das Theater dringen konnte.
Leider war es draußen zu dunkel, als dass wir etwas hätten sehen können. Aber es blieb nicht still.
Wir bekamen die Geräusche mit, wir hörten auch Stimmen, und was sie sagten, war nicht dazu angetan, unsere Laune zu verbessern.
Dann das Dröhnen. Danach der Schrei. Für uns das Startsignal.
Jane und ich blieben keine Sekunde länger stehen. Für uns stand fest, dass die Blutsaugerin den Weg nach draußen gefunden hatte. Leider war sie nicht allein, denn auch die menschliche Beute hielt sich in der kalten Luft auf.
Wir dachten an Florence Turner, nur an sie, und das war in diesem Moment falsch…
***
Lady Sarah war zwar eine abenteuersüchtige Person, und das trotz ihres Alters, aber so schnell bewegen wie Jane Collins und John Sinclair konnte sie sich nicht. Sie sah die beiden laufen und dachte daran, dass sie hinter ihnen her musste. Jetzt war sie froh darüber, ihren Stock mitgenommen zu haben. Zwar sah sie ihn nicht so sehr als Stütze an, sondern mehr als Waffe, in diesem Fall kam er ihr jedoch wie ein gutes und nicht störendes drittes Bein vor.
Sie lief hinter
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