Blut vergisst nicht: 13. Fall mit Tempe Brennan
Streckverband, als er sich ein Bein brach.« Gearhart spähte wieder durch die Lupe. »Sie haben ihm einen Nagel direkt durch den Oberschenkelknochen gejagt.«
»Ist der Nagel erst einmal an Ort und Stelle, werden Rollen und Gewichte mit Drähten daran gehängt, um die erforderliche Zugkraft zu erreichen. Skelettale Streckung benutzt Kräfte zwischen fünfundzwanzig und vierzig Pfund.«
»Wie lange bleibt dieser Nagel im Knochen?« Ryan klang jetzt übertrieben ernsthaft.
»Wochen, vielleicht Monate. Der da wurde schon Vorjahren entfernt.«
Gearhart schob sich die Brille hoch, die ihr auf die Nasenspitze gerutscht war. »Was vermuten Sie, Doc?«
»Ich würde sagen, ein instabiler Bruch des Schienbeinschafts. Das distale Schienbeinende wurde wohl mit dem Fersenbein verbunden.«
»Das wir nicht haben.« Perry.
»Wie gebrochen?«, fragte Gearhart.
»Beim Skifahren? Radfahren? Autounfall? Ohne mehr von dem Bein kann man das unmöglich sagen.«
»Spaceshuttle-Explosion.« Perry fing an, auf und ab zu gehen.
»Hören Sie«, sagte ich. »Wir haben immer noch eine potenziell wertvolle Information. Das Opfer unterzog sich einer Behandlung, wurde wahrscheinlich in irgendeinem Krankenhaus stationär aufgenommen. Die Polizei oder einer Ihrer Ermittler kann Krankenhausunterlagen nach chirurgischen Implantaten am distalen Schienbeinende durchsuchen.«
Perry blieb stehen. »Zeitrahmen?«
»Was wir hier sehen, ist lediglich eine Narbe, das Resultat von Knochenneuwachstum an der Nagelposition. Die Verletzung war nicht neu. Ich würde mindestens fünf Jahre zurückgehen und mich von dort weiter in die Vergangenheit vorarbeiten. Oder Sie versuchen eine Abkürzung und gleichen die Namen Ihrer Vermisstenliste mit den örtlichen Krankenhäusern ab oder fragen Familienangehörige nach früheren Beinbrüchen. Vielleicht haben Sie Glück.« Perry nickte knapp.
»Haben Sie irgendwelche neuen Hinweise in Bezug auf das erste Opfer?«, fragte ich.
»Nein, aber wir haben einige neue Vermisste. Im letzten Januar wurde ein Collegejunge von einem dieser großen Schiffe über Bord gespült. Wir gehen dem nach. Ein Seifenvertreter verschwand letzten Sommer aus einem Hotel am Waikiki Beach. Ließ all seine Habseligkeiten im Zimmer zurück. Könnte Selbstmord sein, Ertrinken, oder der Kerl wollte sich einfach aus dem Staub machen.«
»Wie alt?«
»Zweiunddreißig.«
Ich schüttelte den Kopf. »Unwahrscheinlich.«
Perry wedelte frustriert mit den Händen. »Bei den Abertausenden von Touristen, die jedes Jahr durch die Inseln strömen, ist es schwer, die Polizei für so was zu interessieren. Kann sein, dass der medizinische Aspekt ihren Enthusiasmus ein bisschen beflügelt. Oder ich könnte dafür beten, dass ein gnädiger Gott uns die ganze Mühe mit einem DNS-Treffer erspart.«
Perry nahm sich ein Skalpell von der Arbeitsfläche und drehte das Bein so, dass das Fleisch über dem Außenknöchel nach oben lag. Wir sahen alle zu, wie die Klinge in das Fleisch eindrang.
Und plötzlich stoppte.
Perry legte das Instrument beiseite und streckte die Hand aus.
»Geben Sie mir die Lupe.«
Gearhart hielt ihr das Vergrößerungsglas hin. Perry riss es ihr förmlich aus der Hand.
Nach ein paar Sekunden Untersuchung ging Perry zum Waschbecken und befeuchtete einen Schwamm. Dann kehrte sie zum Karren zurück, betupfte sanft das Gewebe und wischte die Reste der Epidermis weg.
»Kann sein, dass wir ein Tat haben.«
Gearhart und ich wechselten Blicke.
Eine Tätowierung, formte ich mit den Lippen.
Gearharts Lippen formten ein O.
Noch ein wenig Säubern, dann winkte Perry uns mit dem Arm zu sich.
Wir traten alle gemeinsam vor, Lehrlinge, die sich um den Zauberer scharen.
Perry vergrößerte eine Verfärbung, die in dem Fleischklumpen, den ich vom Malleolus zurückgeschoben hatte, kaum zu erkennen war. Mir war der kleine Fleck zuvor schon aufgefallen, ich hatte aber, abgelenkt von der Tatsache, dass wir ein zweites Opfer hatten, nicht weiter darauf geachtet.
»Verdammt«, sagte Ryan.
Perry schoss Fotos des Tattoos und löste es dann mit einander kreuzenden Skalpellschnitten aus der Umgebung heraus. Mit beiden Handflächen drückte sie das Hautstück auf dem Edelstahl platt und glättete es.
»Licht aus.«
Ryan drückte auf den Schalter an der Wand. Der Raum wurde schwarz.
Ich hörte, wie eine Schublade geöffnet und geschlossen wurde. Ein Klicken.
Ein blauer Strahl traf das Hautstück.
Unter UV-Licht wurde das Tattoo schärfer. Ich
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