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Blut vergisst nicht: 13. Fall mit Tempe Brennan

Blut vergisst nicht: 13. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Blut vergisst nicht: 13. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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gebaut?
     
    Ryan und ich haben unterschiedliche Ansichten in Bezug auf, na ja, fast alles, was nicht mit der Arbeit zu tun hat. Trotzdem sind wir wie Atome, die im Raum interagieren, unsere jeweiligen positiven und negativen Felder ziehen sich gegenseitig an. Bis zu Lutetias Wiederauftauchen natürlich.
    Rauschte der alte Strom noch immer unter der Oberfläche? War das der Grund für meine Bissigkeit im Büro der ME?
    Vielleicht. Aber solange unsere Töchter bei uns waren, würde ich mich keinesfalls auf dieses Eis wagen.
    An diesem Abend herrschte zwischen Ryan und mir völlige Übereinstimmung. Katy und Lily dagegen waren superscharfe Nervensägen.
    Auf der Fahrt nach Lanikai kauften Ryan und ich Sushi, ein Essen, das merkwürdigerweise beide Seiten unserer kriegführenden Heimatfront mochten. Nach viel Diskussion einigten wir uns auf einen Politikwechsel. Da sanktionierte Separation sich als Katastrophe erwiesen hatte, würden wir es jetzt mit zwingender Zweisamkeit versuchen.
    Die Entscheidung war höchst unpopulär.
    Gegessen wurde in arktischem Schweigen. Danach wurde Hawaii aus entgegengesetzten Ecken des Wohnzimmers heraus angeschaut. Fast wie bei einer Hochzeit. Bräutigam auf der linken, Braut auf der rechten Seite.
    Katy mochte Julie Andrews. Lily meinte, Julie sei lahm, mochte aber Max von Sydow. Katy hielt Max für schwul.
    Ryan schwor, er hätte Bette Midier bei einem Kurzauftritt als Schiffspassagierin gesehen.
    Ich war skeptisch. 1966? Das wäre dann eine sehr junge Bette gewesen.
    Um elf waren wir alle in unseren Zimmern.
    Vielleicht war es zu viel Ahi in Panko-Kruste. Oder die Mango-Krabbensalat-Röllchen. In dieser Nacht hatte ich einen der merkwürdigsten Träume meines Lebens.
    Als Katy zehn war, besuchte sie ein Reitercamp. Ihr Pferd war ein kleines haselnussbraunes mit einer Blesse und weißen Beinen und dem Namen Cherry Star.
    Im Traum ritt ich ohne Sattel auf Cherry Star einen langen, weißen Strand entlang. Ich spürte die Muskeln der Stute unter mir, spürte die heiße Sonne auf meinem Rücken.
    Neben uns erstreckte sich Wasser klar und still, soweit ich sehen konnte. Mitternachtsgrüner Riementang wogte knapp unter der Oberfläche.
    Cherry Stars Hufe wirbelten Gischt hoch, als wir galoppierten. Fette Spritzer brannten auf meinem Gesicht wie Schneeflocken im Winter.
    Am Horizont tauchte ein winziger, schwarzer Fleck auf. Wuchs. Nahm Gestalt an.
    Katy, auf einem Pferd. Auf Cherry Star. Ich winkte. Katy winkte nicht zurück. Aber ich saß doch auf Cherry Star. Verwirrt schaute ich nach unten. Ich ging zu Fuß. Ich schaute hoch.
    Cherry Star donnerte auf mich zu. Ich sah ihre Blesse größer und größer werden. Sich gelb verfärben. Golden. Sonnenlicht blitzte auf der glänzenden Metalloberfläche.
    Umgeben von einem Strahlenkranz aus zersplittertem Licht, veränderte Cherry Stars schimmernde Blesse ihre Form. Eine Raute. Ein Halbmond. Ein umgedrehter Pilz mit geteiltem Stiel.
    Plötzlich war Cherry Star über mir. Auf ihrem Rücken saß kein Reiter. Ihre Zügel schleiften im Sand.
    Sie wird darauf treten und sich einen Zahn brechen!
    Ich machte einen Satz, bekam aber die schleifenden Lederriemen nicht zu fassen.
    Ich roch den Schweiß des Pferds, hörte die Luft in seinen Nüstern rasseln.
    Cherry Star warf den Kopf zurück. Öffnete das Maul zu einem stummen Schrei.
    Ich sah bernsteinfarbene Zähne. Gefletschte Lippen. Schaumigen Speichel in glitzernden Rinnsalen.
    Mit hämmerndem Herzen versuchte ich zu rennen.
    Mit jedem Schritt versank ich tiefer im Sand.
    Der Traum veränderte sich.
    Ich stapfte durch Wasser.
    Mit beiden Armen rudernd, watete ich aufs Ufer zu. Das Land war sehr weit weg. Riementang umgab mich.
    Ich sah, wie die grün-schwarzen Klumpen langsam miteinander verschmolzen. Der dunkle Kreis schloss sich um mich. Irgendetwas strich mir über den Fuß. Ich schaute nach unten.
    Sah eine Schnauze. Von Membranen überzogene Augen. Kalt. Urzeitlich.
    Der Hai öffnete das Maul und zeigte rasiermesserscharfe Zähne.
    Schweißnass wachte ich auf, meine Nägel gruben kleine Halbmonde in die Handflächen.
    Der Himmel war grau. Eine feuchtigkeitsschwere Brise wehte vom Fenster her.
    Ich schaute auf die Uhr. Viertel vor sieben.
    Das Haus war still.
    Ich drehte mich auf die Seite. Zog die Decke bis zum Kinn hoch.
    Sosehr ich versuchte, wieder einzuschlafen, ich konnte es nicht.
    Ich probierte jeden Entspannungstrick, den ich kannte, aber meine Gedanken kamen von dem Traum nicht

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