Blut vergisst nicht: 13. Fall mit Tempe Brennan
das in dieser Gegend ein Problem.«
»Warum wurde die Hundemarke zurückgelassen?«, fragte Ryan. »Man sollte doch meinen, dass Plünderer es vor allem darauf abgesehen hätten.«
Gute Frage, dachte ich.
»Wer weiß«, sagte Danny.
»Ich bin verwirrt«, sagte Ryan. »Spider Lowery gehörte zur Army. War Tan Son Nhut denn nicht ein Stützpunkt der Air Force?«
Danny verschränkt die Arme. »Die lange oder die kurze Version?«
»Die kurze.«
»Zunächst einmal, Armypersonal benutzte die ganze Zeit Einrichtungen der Air Force. Darüber hinaus aber waren in den ersten Jahren des amerikanischen Engagements in Vietnam die Todesraten niedrig, und die Leichenhallen wurden von der Air Force betrieben. Auf der Clark Air Force Base auf den Philippinen wurde ein ziviler Bestatter mit Zeitvertrag eingestellt, und in Vietnam selber wurden die Überreste nur sehr vorläufig bearbeitet. Zu der Zeit bestand die Leichenhalle der Tan Son Nhut Air Base aus nur zwei Räumen.« Danny hatte diesen Kurzvortrag offensichtlich schon öfter gehalten.
»1963 beschäftigte die TSN-Leichenhalle einen zivilen Bestatter in Diensten der Air Force, einen für die Registrierung von Gräbern zuständigen Unteroffizier der US Army und ein paar Einheimische. Mit zunehmenden Opferzahlen wurde die Einrichtung vergrößert, ein Einbalsamierer und zusätzliches Gräberregistrierungspersonal wurden eingestellt.
1966 übergab die Air Force die operative Kontrolle der Leichenhalle an die Army, und die Prozeduren änderten sich. In früheren Kriegen wurden provisorische Friedhöfe angelegt, um die Leichen zu begraben, bis die Feindseligkeiten beendet waren. Die Überreste wurden später exhumiert und an die nächsten Angehörigen zurückgegeben oder, auf Bitten der Angehörigen, auf US-Friedhöfen in Übersee bestattet. Die Einbalsamierung fand auf dem Friedhofstatt.
Als die Armee in Vietnam die Kontrolle übernahm, führte sie ein parallel laufendes Rückführungsprogramm ein. Überreste wurden in Sammelstellen registriert und nach Tan Son Nhut geschickt beziehungsweise nach Da Nang, nachdem dort die Leichenhalle errichtet war. Dort wurden sie identifiziert, einbalsamiert und nach Hause verschickt. Die Bearbeitung war eine Frage von Tagen, nicht von Monaten oder Jahren, wie es bei dem alten System der provisorischen Bestattung der Fall war.«
»Das ist schnell.«
»In den meisten Fällen wurde ein KIA innerhalb weniger Stunden per Hubschrauber vom Schlachtfeld zur nächsten Sammelstelle gebracht. Binnen eines Tages waren die Überreste in einer der zwei Leichenhallen im Land.«
»Ich schätze, in diesem Klima musste alles schnell gehen.«
»Völlig richtig. Bei so viel Hitze und Feuchtigkeit löste die Haut sich sehr schnell ab, und die Leichen schwollen bis zu doppelter Größe an. Vor allem während des Monsuns. Und aasfressende Insekten und Tiere machten sich schon über die Leiche her, bevor der Mann überhaupt auf dem Boden auftraf Zum Glück standen in den Sammelstellen und den Leichenhallen Kühlmöglichkeiten zur Verfügung.«
»Aber das half 1968-979 nicht.«
»Sobald man von der Küste ins Inland kommt, ist ein Großteil Vietnams reiner Dschungel«, sagte ich. »Die Toten wurden nicht immer sofort gefunden.«
»Und denken Sie an das Timing«, fügte Danny hinzu. »Die aufgemöbelte Leichenhalle in Tan Son Nhut ging erst im August 68 in Betrieb, in dem Monat, in dem 1968-979 gefunden wurde.«
»Hast du von 1968-979 dentale Röntgenaufnahmen gemacht?«, fragte ich Danny.
Er nahm einen kleinen, braunen Umschlag von seiner Schreibunterlage. »Sollen wir?«
Wir standen eben auf, als mein BlackBerry summte.
Während ich antwortete, klimperte auf Ryans Handy die Titelmelodie der Sesamstraße.
21
»Hallo, Süße.« Ich folgte Danny zu einem Lichtkasten an der linken Seite des Labors.
»Nenn mich bloß nicht Süße. Ich kann einfach nicht glauben, dass du mir so was antun konntest.«
Nackte Entrüstung sprach aus Katys Tonfall.
»Dieser Urlaub sollte doch eigentlich Spaß machen. Surfen? Tauchen? Aloha? Weißt du noch? Alo-Ha! Ich bin ein verdammter Taxidienst.«
Im Hintergrund hörte ich Verkehrsgeräusche. Irgendwas Bluesiges plärrte aus dem Radio. »Wo bist du?«
»Auf der Heimfahrt, wenn du es genau wissen willst. Nachdem ich mir so lange die Beine in den Bauch gestanden habe, dass ich jetzt reif bin für die Rente.«
Ich schaute auf die Uhr. Zwanzig vor fünf. Offensichtlich hatte die Vereinbarung der beiden nicht
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