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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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morgen früh jemanden raufschicken, der es Ihnen bringt? Ist ziemlich schwer, das Ding.«
    »Ich weiß nicht ...« Verwirrt riss Leon den Umschlag auf. Die Schrift kam ihm nicht bekannt vor, aber das Paket an der Wand ließ eigentlich nur einen einzigen Schluss zu.
    Danke, stand in kräftigen, ausdrucksstarken Buchstaben auf dem schlichten weißen Briefbogen. Danke, dass Sie mir geglaubt haben. Aber jetzt, wo Conchita tot ist, geht alles wieder von vorn los, und ich glaube nicht, dass ich das noch einmal aushalte. Heute sind sie in mein Atelier eingebrochen und haben meine Arbeiten zerstört. So weit sind sie noch nie gegangen. In all den Jahren nicht. Aber jetzt, da auch diese Grenze einmal überschritten ist, weiß ich, dass es niemals aufhören wird. Sie werden mich nie in Ruhe lassen, weil sie mir einfach nicht glauben. Niemand außer Ihnen hat das je getan. Leon starrte das Paket an.
    Er brauchte es nicht zu öffnen, um zu wissen, dass es sich um das Bild handelte, das er im Atelier bewundert hatte. Nummer vierzehn ...
    Der Portier war aufgestanden. »Soll ich Ihnen helfen?«
    Leon hob den Kopf. »Nein«, sagte er. »Rufen Sie die Polizei an. Sie sollen jemanden zum Herrenhaus schicken.«
    Der Mann machte ein verständnisloses Gesicht. »Und warum?«
    Leon schluckte. »Suizid«, sagte er tonlos. »Oder Suizidversuch. Das wird sich zeigen.« Dann rannte er los.
    Kevin folgte ihm auf dem Fuße. »Vielleicht irrst du dich«, rief er, doch Leon schüttelte nur den Kopf. Ihm war kalt.
    Die Vordertür des Herrenhauses war verschlossen, aber sie ließen sich nicht aufhalten. Mit vereinten Kräften schlugen sie eines der Küchenfenster ein und machten Licht. Dann suchten sie das gesamte Haus ab. Mittendrin erschien Hearing in Begleitung zweier Kollegen. Sie sahen in jeden Winkel, in den Keller, auf den Speicher, ins Atelier. Doch Mia Bradley war nicht zu finden.
    »Ich glaube nicht, dass jemand, der sich umbringen will, sich so versteckt, dass ihn niemand findet«, sagte Hearing, um ihn zu beruhigen, doch Leon sah ihn nur an.
    »Verdammt«, rief er, indem er den PPU-Mann am Arm fasste, »ich glaube, ich weiß jetzt, wo sie ist!«
     
    Sie fuhren mit einem Streifenwagen so weit es eben ging. Dann mussten sie zu Fuß weiter. Am Fuß des Klippenwegs schleuderte Leon seine sandgefüllten Schuhe von den Füßen. Obwohl der Boden nass war von dem vielen Regen der letzten Stunden, sackten sie immer wieder ein. Der Strand war eine weite, dunkelgraue Fläche, über die der Wind pfiff. Das Wasser lief bereits wieder ab, und die Priele glitzerten im fahlen Mondlicht, das sich erst vor wenigen Minuten durch die Wolken gekämpft hatte.
    Obwohl es frisch nach Salz und Tang roch, glaubte Leon noch immer den modrigen Geruch faulender Äpfel wahrzunehmen. Er blickte nach vorn, auf der Suche nach dem kreisrunden Felsen, auf dem sie gesessen hatten. Oder irgendetwas anderem, an dem er sich orientieren konnte. Doch die Gezeiten veränderten das Gesicht der Landschaft zu stark, als dass er eine Chance gehabt hätte.
    Unter seinen nackten Füßen veränderte auch der Boden seine Gestalt, glatt, Wellenprofil, Schlick. Leon stolperte durch Wasserlachen, ohne deren Tiefe abschätzen zu können, und kaltes Salzwasser tränkte seine Hosenbeine, bis sie ihm eisig und schwer um die Waden schlugen.
    Der Wind kam jetzt direkt von vorn und trieb ihm feine Feuchtigkeitsschauer ins Gesicht. Leon senkte den Kopf, fühlte Kevins angestrengten Atem im Nacken, und auf einmal sah er etwas vor sich im Sand liegen.
    Im selben Moment, in dem er erkannte, dass es Schuhe waren, wusste er, dass er zu spät kam.
    Silbergraue Wellen stürzten ihm entgegen, brachen undliefen zu seinen Füßen aus, und Leon sank neben den durchnässten Slippern auf die Knie, während sich hoch über ihm, in der Schwärze des Nachthimmels, die ersten Sterne zeigten.

 
    Sonntag, 26. August
     
     
    11
     
    Das Erste, was Laura sah, war ein Paar kohlrabenschwarzer Augen.
    Sie war sich nicht sicher, ob sie geschlafen hatte, und auch nicht, ob sie jetzt wach war. Da war ein Schleier rings um sie. Wie dünner Tüll, der sie einhüllte. Bis auf diese Augen.
    Mir ist durchaus bewusst, wie viel Sie durchgemacht haben ...
    Ach ja? Konnte irgendjemand, konnte dieser Mann begreifen, was geschehen war? Wer war er überhaupt? Sie versuchte, die Bilder scharf zu stellen, die ihr Bewusstsein ihr anbot, aber viel kam nicht dabei heraus. Das Einzige, was sie zu wissen glaubte, war, dass sie ihn schon

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