Blutfehde
annähernd Gerechtigkeit zu erreichen, musste Amanda Quillian im Gerichtssaal noch einmal lebendig gemacht werden.
»Gehen wir wieder zurück, Mrs Meade, und sprechen noch einmal über die Anfangszeit der Beziehung zwischen Amanda und dem Angeklagten.«
»Eine Woche, nachdem sie sich kennen gelernt hatten, kam es zu der ersten Verabredung. Ich habe sie am folgenden Samstag zusammen im Kino gesehen.«
»Haben Sie die beiden bis zum Abschluss Ihrer Schulausbildung noch öfter gesehen?«
»Ständig. Weder meine noch Amandas Eltern wollten, dass wir in diesem Alter schon allein mit Jungs ausgehen, deshalb waren wir normalerweise in der Gruppe unterwegs oder trafen uns wenigstens zu einem Doppelrendezvous. Sie war meine beste Freundin, wir verbrachten viel Zeit zusammen. Amanda hatte nie eine andere ernsthafte Beziehung. Weder in der Schule noch während ihres Studiums in Princeton. Ich meine, Sie sehen ja selbst, wie attraktiv sie war, sie hatte viele Verehrer. Aber sie war verrückt nach Brendan, er war der Einzige, der ihr jemals etwas bedeutet hat.«
Sie hatte jetzt die volle Aufmerksamkeit der Geschworenen. Manche beobachteten Kate Meade, andere starrten auf das Foto, während Kate über ihre Freundin sprach, einige blickten zu Quillian und hofften vergeblich auf eine Reaktion.
»Wissen Sie, wo der Angeklagte studiert hat?«
»Ja. Brendan studierte an der Georgetown-Universität. In Washington, D.C. Er hatte ein Vollstipendium.«
»Waren Sie auf der Hochzeit von Amanda und dem Angeklagten?« Im Gegensatz zu den Zeugen und dem Verteidiger, die den Angeklagten bei seinem Namen nannten, erwähnte ich ihn nur als Träger der Funktion, die er in diesem Verfahren hatte.
»Ja, natürlich. Ich war Amandas Brautjungfer.«
»Wann war das?«
»Eine Woche nach unserem Uniabschluss, diesen Monat ist es zwölf Jahre her. Kurz nach Amandas zweiundzwanzigstem Geburtstag.«
Durch Kates Aussage konnte ich den Geschworenen einen guten Einblick in die Lebensumstände meines Opfers und ihres Mannes vermitteln. Ich hatte meine Befragung sorgfältig strukturiert und entlockte meiner Zeugin nur Fakten aus erster Hand, damit Howell keinen Einspruch wegen Hörensagens vorbringen konnte.
Amandas Vater war der Alleineigentümer eines Immobilienimperiums, das ihr Großvater vor über vierzig Jahren gegründet hatte. Keating Properties war hauptsächlich für die Sanierung von Manhattans SoHo-Viertel verantwortlich, wo riesige Firmengebäude und Lagerhallen in Lofts und Wohnungen umgewandelt worden waren. Danach hatten sie nach dem gleichen Muster TriBeCa saniert und in Dumbo, dessen Kürzel für »Down Under the Manhattan Bridge Overpass« stand, den Charme der Straßen und alten Gebäude Brooklyns Wiederaufleben lassen.
Da Amanda im Unterschied zu ihren zwei Schwestern einen Mann geheiratet hatte, der Interesse für das Familienunternehmen zeigte, war Brendan Quillian von ihrem Vater mit offenen Armen empfangen worden. Nachdem er sein Studium an der Georgetown-Universität abgeschlossen und einen MBA an der NYU gemacht hatte, wurde Brendan von Richard Keating höchstpersönlich in die Kunst des Geschäftemachens eingeweiht. Noch vor dem zehnten Hochzeitstag der Quillians, kurz bevor Keating an chronischer Herzinsuffizienz starb, hatte er Brendan zum Teilhaber ernannt.
»War Amanda Quillian berufstätig, Mrs Meade? Hatte sie einen Job?«
»Die ersten drei Jahre nach der Hochzeit arbeitete sie ebenfalls für Keating Properties. Sie übernahm PR-Aufgaben für ihren Vater. Aber nachdem Brendan in die Geschäftsleitung aufgestiegen war, wollte sie ihm nicht im Weg stehen. Sie wollte sozusagen den Druck von ihm nehmen, die Aufmerksamkeit der anderen Mitarbeiter, weil er der Schwiegersohn des Chefs war.«
Ich kannte die Antworten auf meine Fragen genauso gut wie Kate. Was ich nicht wusste und was mich jetzt unablässig irritierte und mir Kopfschmerzen machte, war Lems Warnung, die er mir zugesteckt hatte, die Tretmine, auf die ich im weiteren Verlauf meiner Vernehmung mit Sicherheit stoßen würde.
»Was hat sie danach getan?«
»Sie war vor allem ehrenamtlich tätig. Vier Tage die Woche. Sie war im Verwaltungsrat eines Krankenhauses tätig, und sie steckte sehr viel Zeit in ein Analphabetismus-Projekt.« Kate brachte ein Lächeln zustande, das von einigen Geschworenen erwidert wurde.
»Hatte Amanda Kinder?«
»Nein, das hatte sie nicht.«
»Wissen Sie, ob sie jemals schwanger war?«
»Ja, das war sie. Amanda hatte drei
Weitere Kostenlose Bücher