Blutfehde
befand.
»Haben Sie danach noch einmal mit Amanda Quillian gesprochen?«
»Ja, ich habe sie kurz vor drei Uhr angerufen. Preston schlug vor, sie zum Abendessen einzuladen, also rief ich bei ihr an, um eine Uhrzeit auszumachen.«
»Welche Nummer haben Sie gewählt?«
»Ihre Handynummer. Ich rief sie auf dem Handy an, weil ich mir nicht sicher war, ob sie schon zu Hause war.«
»Hat sie geantwortet?«
»Erst schaltete sich die Voicemail ein. Sie rief mich ein paar Minuten später zurück.«
»War das das letzte Mal, dass Sie von Amanda Quillian hörten?«
Kate Meade schnippte noch lauter mit ihren Fingernägeln. »Nein, Ma’am.«
»Was geschah als Nächstes?«
»Ich schloss gerade meine Wohnungstür auf, als mein Handy klingelte.« Kates Augen wurden wieder feucht, und sie senkte den Kopf. »Sie muss auf die Wahlwiederholungstaste gedrückt haben, weil es so schnell ging.«
»Einspruch, Euer Ehren. Diese Spekulationen, diese Vermutungen, dieses >müsste<, >sollte<, >könnte< ist -«
»Stattgegeben. Und sprechen Sie bitte lauter, Madam.«
Kate Meade hob den Kopf und sah ihre Lieblingsgeschworene, die Lehrerin, an. »Ich klappte das Handy auf und hörte Amanda schreien. Nur einen langen, fürchterlichen Schrei.«
»Hat sie irgendetwas gesagt, Worte, die Sie verstehen konnten?« Diese emotionsbedingte Äußerung, wie es im amerikanischen Fachjargon hieß, stellte eine Ausnahme der Hörensagen-Regel dar. Ich war überzeugt, dass der Richter Kates Antwort zulassen würde.
»Zuerst hörte ich nur diesen schrecklichen Schrei. Dann begann sie zu weinen, und gleichzeitig sprach sie mit jemandem.«
Ich wartete, bis Kate Meade ruhiger atmete, und fragte dann leise: »Haben Sie eine Ahnung, mit wem sie sprach?« Kate schüttelte den Kopf.
»Konnten Sie hören, was sie sagte?«
»Ganz deutlich. Sie sagte: >Brendan hat Sie geschickt, nicht wahr? Brendan hat Sie geschickt, um mich umzubringen.< Das waren ihre letzten Worte, die ich hörte.«
»Hat die andere Person etwas gesagt, während die Verbindung noch aktiv war?«
»Nein, Ms Cooper. Er hat nur gelacht. Amanda schrie, und der Mann hat nur gelacht.«
Ich hielt inne, um dieses Bild, das Kate Meade gerade erzeugt hatte, auf die Geschworenen einwirken zu lassen. »Ist Ihnen an dem Lachen irgendetwas Besonderes aufgefallen? Gab es etwas, was Sie wiedererkannt haben oder was Sie uns näher beschreiben können, Mrs Meade?«
»Ich erinnere mich, dass er eine tiefe, raue Stimme hatte. Er klang wie ein Irrer, der seinen Spaß daran hatte, die arme Amanda zu quälen.« Sie presste das Taschentuch wieder auf ihre Augen. »Ich höre immer noch ihren Schrei, der immer leiser wurde. Dann war die Leitung tot.«
3
»Ich bin Lemuel Howell, Mrs Meade. Es tut mir leid, dass wir uns erst heute kennen lernen, ich würde Ihnen ebenfalls gern ein paar Fragen stellen«, begann Howell, nachdem die Geschworenen sich in der zwanzigminütigen Pause frischgemacht hatten. Er wollte ihnen bewusst machen, dass ich einen Vorteil hatte, den man ihm verweigerte.
Er war höflich und charmant, aber Kate Meade fühlte sich sichtlich nicht mehr so wohl wie im ersten Teil der Vernehmung, als sie von ihrer Freundschaft mit Amanda erzählt hatte. Sie knetete nervös das Taschentuch in den Händen und blickte abwechselnd von Brendan Quillian zu seinem Anwalt.
»Sie kennen Brendan also schon Ihr halbes Leben, richtig?« Bevor Howell an die Geschworenenbank herangetreten war, hatte er sich hinter seinen Mandanten gestellt, seine Hände auf dessen breite Schultern gelegt und ihm auf den Rücken geklopft. Damit wollte er der Jury signalisieren, dass Quillian nicht nur sein Mandant war, sondern dass er ihn auch mochte.
Kate lächelte schwach und nickte.
»Sie müssen laut und deutlich sprechen, für das Protokoll«, ermahnte sie der Richter.
»Ja. Ja, Sir. Ich bin jetzt vierunddreißig. Als ich ihn kennen lernte, war ich sechzehn.«
»Sie hatten während Ihrer Schulzeit Kontakt zu ihm, richtig?«
»Ja.«
»Und Sie haben ihn während des Studiums oft gesehen?«
»Hin und wieder.«
Howell zählte eine ganze Reihe gesellschaftlicher Anlässe auf, bei denen Kate Meade mit dem Ehepaar Quillian zusammen gewesen war. Dazu gehörten allerlei private Familienzusammenkünfte und -feiern, unzählige Geschäftstermine, an denen auch die Meades teilgenommen hatten, und derart viele philanthropische Aktivitäten, dass sich Mutter Teresa für den guten Charakter des Angeklagten verbürgt
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