Blutfehde
Jahrbuch.«
»Euer Ehren, ich würde das Foto gerne als Beweisstück aufnehmen lassen.«
»Irgendwelche Einwände?«
Lern Howell stand nicht einmal auf. »Nein, Sir.« Zu diesem Zeitpunkt würde er noch keinen Einspruch erheben. Er wusste, dass die nette, wenn nicht gar romantische, Geschichte der jungen Quillians den guten Charakter seines Mandanten nur bestätigen konnte.
»Das Beweisstück ist damit aufgenommen«, sagte Richter Gertz und machte sich eine Notiz in seinem ledergebundenen Notizbuch, in das er im weiteren Verhandlungsverlauf noch Dutzende von Polizei- und Medizinberichten, Fotos und Diagrammen notieren würde, die Howell und ich als Beweise vorlegten.
»Mrs Meade, ich komme gleich noch einmal auf diesen Zeitraum zurück, aber erst würde ich gern zeitlich etwas nach vorne springen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einen Tag richten, der noch nicht so weit zurückliegt, genauer gesagt auf den dritten Oktober letzten Jahres, einen Mittwoch. Erinnern Sie sich an diesen Tag?«
Die junge Frau wandte sich von den Geschworenen ab und riss die Augen auf, als hätte sie ein Gespenst gesehen. »Ja«, sagte sie kaum hörbar.
»Was ist an dem Tag passiert?«
»Einspruch.«
»Stattgegeben. Ms Cooper, Sie können -«
»Ich werde meine Frage anders formulieren.« Kate Meade war wieder nervös. Ich hörte, wie sie mit ihren Daumennägeln schnippte. »Haben Sie Amanda Quillian an jenem Tag gesehen?«
»Ja. Ja, das habe ich. Ich habe am dritten Oktober mit Amanda zu Mittag gegessen. Eine Stunde, bevor sie starb - bevor sie ermordet wurde.«
Howell gefiel die Antwort nicht, aber er legte klugerweise keinen Einspruch ein, weil diese Information sowieso irgendwann enthüllt worden wäre. Die zwölf Geschworenen und ihre Stellvertreter beugten sich gespannt vor; offensichtlich waren sie neugierig zu erfahren, was das Opfer in den letzten Stunden vor seinem Tod gemacht hatte.
»Ich möchte Sie bitten, sich ein anderes Foto anzusehen. Beweisstück Nr. z der Anklage.« Ich nahm ein auf sechzig mal sechzig Zentimeter vergrößertes, auf Pappe aufgezogenes Foto aus der unteren Ablage des Einkaufswagens und gab es Willy, der es an die Zeugin weiterreichte. »Erkennen Sie dieses Foto?«
Meade holte hörbar Luft und senkte den Kopf. »Natürlich. Ich habe es selbst aufgenommen.«
»Wann haben Sie es aufgenommen?«
»Am dritten Oktober. Ungefähr um zwei Uhr nachmittags.«
»Wo?«
»Im Aretsky’s. Das ist ein Restaurant an der Ecke Madison Avenue und 92. Straße. Es war an dem Tag ungewöhnlich warm, und ich saß mit Amanda im Freien. Ich hatte eine Wegwerfkamera und gerade einen Film bei einer Theateraufführung meiner Tochter verknipst. Sie ist auch Schülerin an der Sacred Heart. Da noch ein Bild übrig war, habe ich ein Foto von Amanda gemacht.«
»Euer Ehren, ich würde das gerne als Beweisstück Nr. 2 aufnehmen lassen.«
Gertz zeigte mit dem Finger auf Howell, der lediglich lächelnd nickte.
»Als Beweisstück aufgenommen, Ms Cooper.«
»Wären Sie so freundlich, beide Fotos den Geschworenen zu zeigen.«
Noch vor einer Woche, vor der Geschworenenauswahl, als wir über das letzte Foto von Amanda Quillian gestritten hatten, war Lern Howells Verhalten nicht so passiv gewesen wie jetzt. Er hatte damals behauptet, das Foto sei irrelevant, nicht beweiserheblich und unverhältnismäßig, und war darüber immer wieder mit Richter Gertz aneinandergeraten.
Aber der Schnappschuss von Amanda Quillian war dann doch zugelassen worden. Es war mein erster Fall mit einem Foto, das eine Stunde vor dem Mord aufgenommen worden war und den langen, nackten und absolut unversehrten Hals des Opfers zeigte, exakt die Stelle der Verletzung, die wenig später zu ihrem Tod führte.
Während sich die Geschworenen die Fotos ansahen, bat ich Artie Tramm, die in einer Ecke abgestützte Staffelei aufzustellen und darauf die vergrößerten Aufnahmen der Fotos auszustellen. Brendan Quillian würde Tag für Tag vor diesen Geschworenen sitzen. Er war von Howell darauf gecoacht worden, sich von seiner besten Seite zu zeigen, sie immer schön anzulächeln und sich bei ihnen auf jede nur erdenkliche nonverbale Art und Weise einzuschmeicheln. Ich hatte schon zu viele Gerichtsverhandlungen mitgemacht, in denen sich die Anklage vergeblich bemüht hatte, den zwölf Geschworenen ein Bild der Toten zu vermitteln, damit sie verstanden, dass ihre Entscheidung für das Mordopfer genauso wichtig war wie für den Angeklagten. Um auch nur
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