Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)
darüber sprechen – ich habe vor ein paar Wochen ein hektisches Telefongespräch mit angehört, zwischen Arne und – ich kann mich nicht an den Namen erinnern –, aber Arne hat viele merkwürdige Sachen laufen. Er ist auch Teilhaber an einem Restaurant irgendwo, in Gran oder Kløfta oder Bjørkelangen, weiß der Himmel. Anscheinend haben sie da den gesamten Umsatz in einem Safe im Büro aufbewahrt. An dem Tag, als das Telefongespräch stattfand, hatte der Geschäftsführer den Safe leer vorgefunden und dann Arne beschuldigt, ihn geleert zu haben. Selbstverständlich eine lächerliche Behauptung.«
»Aber es gab also Drohungen. Womit wurde gedroht?«
»Der Mann verlangte das Geld zurück und drohte mit Gewalt. Aber Arne hat hinterher nur gegrinst.«
»Wäre es denn möglich, dass Welhaven gekidnappt wurde – von einem oder mehreren persönlichen Feinden?«
Helmer Paust runzelte zweifelnd die Stirn. »Das klingt ein bisschen wie in einem schlechten Film, oder? Arne Werner Welhaven wird in einen wartenden Wagen gezerrt, von einem unheimlichen Undercover mit Pistole im Mantel?«
»Sie halten es also für unwahrscheinlich?«
»Ja.«
»Was glauben Sie denn, was Welhaven zugestoßen sein könnte?«
Der Anwalt breitete die Arme aus. »Woher soll denn ich das wissen?«
»Was machen Sie sich für Gedanken? Wenn Menschen etwas passiert, dann denkt man sich doch seinen Teil, man versucht, sich eine Erklärung zusammenzureimen. Was denken Sie, wenn Sie hören, dass er verschwunden ist?«
»Ich denke, dass das alles Quatsch ist. Ein Missverständnis. Arne muss verreist sein und einfach vergessen oder darauf gepfiffen haben, Bescheid zu sagen.«
»Ein solches Vorgehen würde also zu Welhavens Persönlichkeit passen?«
Paust schnitt wieder eine Grimasse. »Eigentlich nicht. Es ist nur so total verrückt, da weiß man einfach nicht, was man glauben soll.«
»Ich würde gern sein Büro durchsuchen«, sagte Frølich schnell.
Die Idee gefiel Paust überhaupt nicht. »Tja«, sagte er schließlich, »aber wenn Welhaven hinterher sauer wird –«
»Dann muss er das mit seiner Tochter klären«, unterbrach ihn Frølich sanft. »Sie können die Verantwortung dafür mir überlassen.«
Paust stand auf, als die Tür aufging. »Lisa«, sagte er. »Danke, dass Sie gekommen sind. Das hier ist Herr Frølich von der Polizei.«
Frølich saß noch eine Weile in Welhavens Büro und blätterte in Akten. Notierte fleißig auf seinem Block und legte die Dokumente, von denen er eine Kopie gebrauchen konnte, auf einen Haufen. Er durchsuchte die Schreibtischschubladen und fand Welhavens Pass. Also war es sehr unwahrscheinlich, dass er im Ausland war.
Als er danach den Flur entlangging, traf er wieder auf Lisa. Sie war ungeduldig.
»Bald fertig?«
Er zog die Schultern hoch. Lisa war in den Vierzigern. Ihr Gesicht war klein und kugelrund und erinnerte ihn an einen Stecknadelkopf. »Wäre es möglich, dass ich einen Blick auf Welhavens Terminkalender werfe?«
Zwei ehrgeizige Augen betrachteten ihn abschätzend durch die Brillengläser. Wenn Lisa ja sagte, würde es noch länger dauern – und sie hatte sicher eine Verabredung, zu der sie nicht zu spät kommen wollte.
»Ich denke schon«, sagte sie, machte auf dem Absatz kehrt und ging in ein helles Büro mit Blumentöpfen auf der Fensterbank. Sie öffnete eine Schreibtischschublade und holte einen grünen Kalender hervor.
»Ist es schon mal vorgekommen, dass Welhaven mehrere Tage nicht da war, ohne vorher Bescheid zu sagen?«
»Nein, nie ohne Bescheid zu sagen.«
»Dann ist das jetzt also etwas Besonderes?«
»Ja, es rufen schließlich Leute an, die stinkwütend sind, weil er Verabredungen nicht eingehalten hat. Am Freitag hätte er im Gericht sein sollen.«
»Er hätte im Gericht sein sollen und ist nicht erschienen?«
Lisa schielte wieder auf den Kalender hinunter. »Ja.«
»Ist das schon einmal vorgekommen?«
Sie schüttelte den Kopf, nahm den Kalender und sagte: »Ich mache Ihnen eine Kopie. Welche Tage interessieren Sie?«
5
Gunnarstranda fuhr zurück in die Stadt. Er dachte an die Fotos. Wahrscheinlich war das Mädchen zu jung, um ein professionelles Modell zu sein. Er hatte auch nicht den Eindruck, dass die Fotos eine Misshandlung oder andere strafbare Tatbestände dokumentierten. Dafür wirkten sie zu sehr wie Kunstfotos, gestellt, mit spezieller Beleuchtung, die besonders scharfe Schatten produzierte. Der Stuhl, an den das Mädchen gefesselt war, stand in einer
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