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Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)

Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)

Titel: Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
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Art Rampenlicht. Das fetischistische Outfit wirkte altmodisch. Sie hatte von Foto zu Foto einzelne Kleidungsstücke gewechselt.
    Was für eine Beziehung mochte zwischen ihr und Killi bestehen? Ihre Jugend gebot, dass die Fotos entwickelt und der Sitte übergeben werden mussten. Aber die Leute bei der Sitte arbeiteten sonntags nicht.
    Er tankte im Munkedamsveien unter dem Konzerthaus und überlegte, welche Kontakte er an einem Sonntag nutzen konnte. Es waren nicht viele. Aber er kannte eine Veteranin aus dem Milieu: Anita. Während er da stand und den Tankstutzen festhielt, wog er Für und Wider gegeneinander ab. Es wäre ein Schuss ins Ungewisse, aber immerhin ein Versuch.
    In den Achtzigern, während der Jahre des Aufschwungs und der Geldflut, hatte Anita als Stripperin und Prostituierte in einer Gogo-Bar für Yuppies gearbeitet. Eines Montagmorgens war sie wegen groben Diebstahls festgenommen worden, als sie versucht hatte, einen Scheck über zehntausend Kronen einzulösen. Der Inhaber einer Gebrauchtwagenfirma hatte sein Scheckheft sowie eine große Summe Bargeld als gestohlen gemeldet. Anita behauptete, das Geld sei das Honorar für sexuelle Dienste gewesen. Gunnarstranda, der den Autohändler wegen anderer Dinge im Visier hatte, untersuchte den Fall, was dazu führte, dass der Mann wegen Unterschlagung, falscher Anzeige und Falschaussage verurteilt wurde. Anita begann ein neues Leben als Kindergartenassistentin in Sarpsborg. Alles ging gut, bis einer der Väter sie in betrunkenem Zustand besuchte. Als er nicht bekam, was er wollte, nahm er es sich mit Gewalt. Sie zeigte ihn an wegen Vergewaltigung. Doch der Anwalt des Mannes wusste Anitas Vergangenheit auszunutzen: einmal Hure, immer Hure. Der Mann wurde freigesprochen. Anita wurde gekündigt. Die Eltern wollten nicht, dass ihre Kinder von einer Prostituierten betreut wurden. Danach war Anita bei ihren Leisten geblieben. Jetzt war sie Mitte vierzig und reiste durch Østlandet mit einem Wohnmobil, in dem sie Kunden in kleineren Ortschaften bediente.
    Das Telefon klingelte drei Mal, bevor sie abnahm.
    »Bist du in der Stadt?«, fragte Gunnarstranda.
    »Bist du’s?«, fragte sie ungläubig. »Und dann gleich so frühmorgens?«
    »Ich brauche ein paar Informationen.«
    »Lieber Gott«, sagte sie erleichtert, »und ich dachte schon, du würdest als Kunde anrufen.«
    Gunnarstranda schwieg.
    »Aber hör zu, ich bin bei der Arbeit.«
    »Wo?«
    »In Stange, Hedmark.«
    »Hast du was von einem Polizisten gehört, der Bondage-Fotos von kleinen Mädchen in Unterwäsche aus den fünfziger oder sechziger Jahren macht?«
    »Was für’n Bondasch?«
    »Gefesselt mit Seil und Knebel im Mund.«
    »Wie klein sind die Mädchen?«
    »Das Mädchen ist so circa vierzehn, fünfzehn.«
    »Und es ist nicht Kidnapping oder Vergewaltigung?«  
    »Kann natürlich sein, aber es wirkt irgendwie nicht so. Sieht verdammt gestellt aus.«
    »Fragt sich, ob ich dir da helfen kann. Wenn sie’s freiwillig macht, würde ich tippen, es ist ein Mädchen aus der Nachbarschaft, das sich was dazuverdient für neue Klamotten oder eine Handy-Karte. Die Welt ist nicht mehr so wie damals, als du jung warst, Gunnarstranda.«
    »Auf jeden Fall …«
    »Werde mich mal umhören, bei Leuten, die ich kenne«, sagte Anita, »aber ich glaube nicht, dass du bei mir auf das richtige Pferd setzt.«
    Gunnarstranda verabschiedete sich. Dann durchsuchte er seine Taschen nach einem Zettel, auf dem er einen Namen notiert hatte. Die Notfallambulanz in Oslo hatte einen nächtlichen Armbruch bestätigt. Das konnte der Mann sein, der vor dem Asylet verprügelt worden war.  
    Der Mann wohnte im Simensbråten. Ein gutmütiger Kerl mit Glatze, üppigem Bart und dickem Bauch in einem geräumigen Jogginganzug. Er wartete auf einer Bank auf dem Rasen vor seinem Block. Sein Unterarm war eingegipst. Er streckte die Hand in die Luft, wie zum Indianergruß. Die ganze Zeit wedelte er mit den Fingern, weil der Arzt ihm gesagt hatte, es sei wichtig, sie zu bewegen.
    Gunnarstranda setzte sich neben ihn und begann, ihn auszufragen.
    Der Mann wirkte erschöpft und hatte den Schock noch nicht überwunden. Er konnte nicht begreifen, wie jemand ohne Grund andere Menschen verletzten konnte, und klagte über die Moral der Leute, die Zeit, in der wir leben, und die Tatsache, dass die Menschen zu viel Zucker aßen.
    »Zucker?«, fragte Gunnarstranda geduldig.
    »Unsere Ernährung ist schlecht. Die Kinder schlagen die Lehrer in der Schule. ADHS

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