Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)
strichen zwei andere Geier vorbei, betasteten den Sessel, sahen sich um.
Da kam der Kommunist zielstrebig zurück und überquerte die Straße mit wedelnden Armen. Eine Diskussion entspann sich. Gunnarstranda öffnete vorsichtig das Fenster, um die Argumente mit anhören zu können. Aber da war es schon vorbei. Der Mann in den Hausschuhen überquerte wieder die Straße. Er trug den Sessel verkehrt herum auf dem Kopf.
Gunnarstranda prostete dem Sessel zu, der gerade ein neues Zuhause gefunden hatte.
Vibeke Starum hielt an derselben Stelle, an der Maria Hoff gehalten hatte. Sie stieg aus und sah über die stille Wasserfläche. Dann holte sie das Handy aus der Tasche und rief Rindal an. »Sie hat sie weggeworfen und überhaupt keinen Hehl daraus gemacht, was sie da tat.«
»Ein Taucher wird sie morgen finden«, sagte Rindal und gähnte.
»Ein Taucher? Es ist leichter, eine Nadel in einem Heuhaufen zu finden! Die kleine Metallplatte sinkt gerade in einen halben Meter Modder und Schlick ein! Das Ding ist weg. Der Fall ist verloren, Rindal. Die verdammte Hündin hat gewonnen! Hier hilft auch kein Taucher mehr!«
»Nun bremsen Sie mal diese negative Wortflut, Starum. Es gibt zwei Möglichkeiten, die Dinge zu betrachten. Die einen sehen darin ein Problem, die anderen eine Herausforderung –«
»Leck mich!«, schrie Starum und unterbrach die Verbindung. Sie stand da und sah in die Dunkelheit.
Das Handy, das sie noch immer in der Hand hielt, klingelte. Sie betrachtete das Display. Es war Rindal. Sie drückte ihn weg. Blieb einfach stehen und sah in die Dunkelheit, zu der Stelle, wo die Festplatte die Wasseroberfläche durchbrochen hatte, und schrie: »Scheiße!«
Lange stand sie so da, bis ein kleiner Frostschauder ihren Körper durchfuhr. Sie stieg wieder in den Wagen und sah über den Oslofjord. Sie machte sich Vorwürfe, den Wagen nicht gleich durchsucht zu haben. Aber woher hätte sie es wissen sollen?
Sie sah wieder auf die Uhr. Es war Mitternacht. Sie fand keine Ruhe. Was sollte sie tun?
Sie atmete tief durch und griff nach dem Handy.
Gunnarstranda legte den Hörer auf.
Er hatte getrunken. Also sollte er nicht Auto fahren. Er ging in die Küche und sah aus dem Fenster. Kein Taxi am Stand. Bevor er die Whiskyflasche zuschraubte, goss er sich noch einen kleinen Schluck in sein Glas. Danach rief er die Taxizentrale an.
Vom Fenster aus betrachtete er den Platz, an dem noch vor wenigen Minuten der Sessel gestanden hatte.
Zum x-ten Mal rekapitulierte er, was in der Nacht geschehen sein musste: Veronika hatte auf Fares’ Aufforderung die Waffe beschafft. Er hatte sie auch dazu gebracht, ein Treffen mit Killi in Grønland zu vereinbaren – weil er ihn dort ermorden wollte. Hatte sie das gewusst? Nein, sie hatte es nicht gewusst …
Aber die Pistole war nicht am Tatort gefunden worden!
Gunnarstranda blinzelte. Natürlich hatte Veronika es gewusst!
Gunnarstranda schloss die Augen und erinnerte sich an das Verhör, das er mit Starum durchgeführt hatte. Veronikas Worte über den netten Polizisten, mit dem man reden konnte. Für den sie vieles tat, mit dem sie ins Bett gehen konnte.
Er dachte: Warum bin ich der Idee erlegen, dass es Veronika war, die Killi erschossen hat? Weil sie die Waffe mit zu Maria Hoff genommen hat .
Das Puzzle vervollständigte sich langsam.
Er öffnete wieder die Augen.
Was tut jemand, der eine Katastrophe nicht mehr verhindern kann? Er oder sie tut das Vergebliche, nur um überhaupt etwas getan zu haben. Es gab nur einen Menschen, der Ivar Killi tot sehen wollte, und das war Darak Fares.
Aber sein Plan wurde durchkreuzt. Zuerst von der Kellnerin. Das hatte er noch geregelt. Wen er allerdings nicht unter Kontrolle hatte, das war Veronika.
Darak Fares wurde verhaftet und unter Anklage gestellt. Doch er kam frei. Dem Untersuchungsrichter fehlten Beweise, um die Anklage ordentlich zu untermauern.
Danach war es nicht mehr so leicht, ihn erneut unter Anklage zu stellen. Doch dieses Mal konnte ihm das dennoch passieren – wegen Veronika. Er hatte geplant, es ohne Zeugen zu tun. Aber Veronika Lange hatte alles gesehen.
Vor dem Haus hielt ein Taxi.
Gunnarstranda drehte sich um und ging hinaus.
Als er zwanzig Minuten später aus dem Taxi stieg, fragte er sich, ob sein Einfall nun idiotisch oder genial war. Er wusste es nicht. Er ging auf die Glastür zu und versuchte, sie zu öffnen. Sie war verschlossen. Also machte er sich auf die Suche nach einer offenen Tür.
Zögernd blieb er vor
Weitere Kostenlose Bücher