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Blutfeuer

Titel: Blutfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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gerade im kleinen Heimathafen Sefalin an der kretischen Westküste
festgemacht, als die ersten Blitze durch die aufgeladene Atmosphäre zuckten.
Auf das Geheiß seines Vaters hin verzichtete Stavros darauf, das Boot zu
entladen. Stattdessen rannten die beiden Fischer den gepflasterten Weg hinauf
zu der kahlen Anhöhe, auf der ihr Haus und das ihrer Nachbarn standen. Sie
hatten kaum die Haustür hinter sich geschlossen, als der Sturm begann. Dann
wurde es finster wie in der tiefsten Nacht. Dunkles Donnergrollen von
urgewaltiger Lautstärke bebte gegen die einfachen Fensterläden der Häuser in
dem kleinen Dorf. Mit brutaler Gewalt zerrte der Sturm am Häuschen der
Fischerfamilie, die sich verängstigt in der Mitte der Stube versammelt hatte.
Selbst der alte Angelos hatte so etwas in seinem Leben noch nicht erlebt. Er
schaute zu seinem Sohn, der sich mit seiner Frau und den Kindern um den großen
Tisch drängte. Seine Schwiegertochter blickte starr zur Decke und hatte
angefangen zu beten.
    Auf einmal krachte es
fürchterlich. Durch die Schlitze der Fensterläden konnten sie sehen, wie das
Nebenhaus im hellen Schein eines Blitzes erleuchtet wurde und sofort in Flammen
aufging. Die Kinder schrien auf und suchten panisch Schutz in den Armen ihrer
Mutter, die krampfhaft weiterhin ihren Rosenkranz laut herunterbetete. Mit
jeder Minute nahm der Sturm an Heftigkeit zu, und das Haus ächzte vernehmlich
im Gebälk. Durch das Pfeifen des Windes hindurch hörten sie irgendwann, wie der
brennende Dachstuhl des Nachbarhauses kapitulierte und krachend in sich
zusammenstürzte. Emilia Chalkidikis hörte auf zu beten und fing an zu schreien.
Als wäre der Schrei dem Wettergott aufgefallen, wurde das Heulen der
Sturmgewalten plötzlich schwächer. Ohne Vorwarnung ließ der heftige Wind nach.
    Dann konnte man auf dem Dach
ein leises Klopfen hören, das immer schneller, umfassender und immer lauter
wurde. Als ob jemand aus großer Höhe eine Schiffsladung Eisenkugeln
herunterwerfen würde und diese nun, eine nach der anderen, auf die Dächer des Dorfes
fiel. Dann schlug etwas Schweres direkt über ihnen ein. Stavros sah seinen
Vater entsetzt an, dann blickten alle nach oben zur Zimmerdecke. Nur der alte
Fischer reagierte, während die ersten Dachziegel zersplitterten.
    »Unter den Tisch!«, rief
Angelos Chalkidikis geistesgegenwärtig, und sofort folgten alle seinem
unmissverständlichen Befehl. Die Geräuschkulisse im Haus wurde immer
unerträglicher. Als die jüngste Tochter ihren Kopf hilfesuchend in die Arme
ihres Vaters gelegt hatte, der nun wie sie unter der Tischplatte aus schwerem
Olivenholz kauerte, zerbarsten die alten Tonziegel des Hauses über ihnen in
einem gewaltigen Trommelfeuer.
    »Heilige Jungfrau Maria!«,
schrie die Mutter auf, und ein Hagelkorn, groß wie ein Handball, durchschlug
die Lehmdecke und zerstob mit einem unheimlichen, trockenen Geräusch auf dem
steinernen Küchenboden. Dann brach in Sefalin endgültig die Hölle los.
    *
    Kriminalhauptkommissar Haderlein stieg aus dem Dienstfahrzeug und
nahm Riemenschneider an die Leine. Zusammen mit Huppendorfer gingen sie zum
neuen modernen Haupteingang des Klinikums St. Getreu, wo sie bereits erwartet
wurden. Huppendorfer musste wie meistens noch seinen Ausweis vorzeigen,
Haderlein und Riemenschneider dagegen waren hinlänglich bekannt. Wobei »bekannt«
wohl ein reichlich untertriebenes Adjektiv für den Status des Duos war.
Riemenschneiders Konterfei allein zierte mit Sicherheit mindestens ein Mal im
Monat die Titelseite eines Printproduktes in Oberfranken. Überall in Bambergs
Läden, wo die beiden auftauchten, gab es Streicheleinheiten für das kleine
Ferkel und eine kostenlose Leckerei gleich hinterher. Riemenschneider war der
mit Abstand bekannteste Promi in der Stadt. Und nicht nur dort. Wenn man einem
Bamberger ein Bild mit Riemenschneider darauf und dem Papst daneben gezeigt
hätte, tja, vermutlich hätte der verwunderte Bamberger Bürger nur gefragt, wer
denn der nette weißhaarige Mann neben Riemenschneider sei. Das kleine Schwein
war demzufolge eine regelrechte Türöffnerin in allen Lebenslagen. Und Futter
musste Haderlein schon lange nicht mehr für sie besorgen. Im Gegenteil:
Riemenschneider hatte durch die ständige kulinarische Zuwendung der Bamberger
sogar leicht zugenommen, was sie bereits selbst unangenehm berührt im Spiegel
des Hausflures bemerkt hatte. Schließlich war sie noch ledig und musste auf
ihre Figur achten. Einmal verheiratet war das

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