Blutfeuer
war, was
die armen Menschen hier umgebracht hat. Gas wahrscheinlich. Alle, bis auf die
alte Dame in Zimmer 5.«
»Wie bitte?«, mischte sich jetzt auch Haderlein wieder in das
Gespräch ein. »Es gibt eine Überlebende? Wo ist die Frau? Ist sie
vernehmungsfähig?« Der Hauptkommissar war freudig erregt. Das war doch endlich
mal eine Nachricht, mit der man arbeiten konnte. Warum hatte man ihm das nicht
schon früher gesagt?
»Die Frau an sich ist sehr wohl vernehmungsfähig, Herr
Kriminalhauptkommissar«, ertönte eine Stimme vom Eingang des Zimmers. »Ich
bezweifle allerdings, dass Ihnen der Umstand etwas nützen wird.« Dr. Waldmüller
stand in der Zimmertür und wirkte äußerst dienstbeflissen. »Wenn mir die Herren
bitte folgen möchten.« Mit der Attitüde eines eilfertigen Dienstboten ging er
voraus an dem gläsernen Rondell vorbei, in dem eine heulende Nachtschwester saß
und anscheinend gerade einem Polizisten ihre Aussage zu Protokoll gab. Dann
verschwand Dr. Waldmüller flugs im ersten Zimmer auf der rechten Seite, auf
dessen Zimmertür groß die Nummer 5 prangte. Haderlein und Huppendorfer folgten
ihm und fanden in besagtem Zimmer im Prinzip die gleiche Szenerie wie in den
anderen vor. Nur mit zwei feinen Unterschieden: Die Leiche in diesem Zimmer
lebte noch, und um die Dose herum hatte sich eine mittelgroße Pfütze gebildet.
Die alte Frau, die auf dem Bett saß und vor sich hin summte, schaute sie mit
großen Augen an, und Dr. Waldmüller bedeutete ihnen, näher zu kommen.
»Hallo, Frau Kleinhenz!«, rief der Arzt mit erhobener Stimme der
weißhaarigen alten Dame auf dem Bett zu. »Ich habe Besuch für Sie mitgebracht,
Frau Kleinhenz. Die Herren möchten Sie etwas fragen. Bitte schön«, sagte Dr.
Waldmüller dann zu den Kommissaren, machte eine einladende Geste Richtung Bett
und rollte bedeutungsvoll mit den Augen. »Versuchen Sie Ihr Glück. Aber hegen
Sie keine allzu große Hoffnung.« Er machte eine wissende Geste mit dem Kopf und
trat zur Seite, um Haderlein vorbeizulassen. Die alte Frau Kleinhenz sah den
Kommissar mit großen Augen nicht unfreundlich und durchaus erwartungsvoll an.
»Guten Tag, Frau Kleinhenz«, begann Haderlein seine Honneurs, als er
sich auf den Stuhl neben dem Bett gesetzt hatte. »Ich bin Kommissar Haderlein
von der Bamberger Polizei und möchte Ihnen ein paar Fragen stellen. Haben Sie
gerade etwas Zeit?« Er sprach betont laut, um sicherzugehen, dass ihn die alte
Frau auch verstand.
Hildegard Kleinhenz lächelte das Lächeln des absoluten Verstehens
und nickte mit neugierigem Blick. Na also, dachte sich Haderlein. War ja gar
nicht so schwer. Was dieser Waldmüller nur hatte! Typisch Arzt. Immer erst mal
vom Schlimmsten ausgehen. Er blickte sich noch einmal nach Huppendorfer um,
aber der hatte sich schon seinen Notizblock gegriffen und war schreibbereit.
Riemenschneider saß am Fußende des Bettes und harrte mit aufgestellten Ohren
der Dinge, die da kommen sollten.
»Frau Kleinhenz«, fuhr Haderlein nun wieder laut mit seiner
Befragung fort, »Frau Kleinhenz, haben Sie heute Nacht irgendetwas Verdächtiges
bemerkt? Personen vielleicht, die Ihnen fremd waren, oder wissen Sie, wer diese
Dose dort in Ihr Zimmer gestellt hat?« Alle im Raum schauten die alte Frau
erwartungsvoll an. Hildegard Kleinhenz deutete auf Haderlein und fing dann
tatsächlich an, mit kräftiger Stimme zu ihm zu sprechen.
»Die Polizei?«
Haderlein nickte erwartungsvoll.
»Na, das ist aber gut«, plauderte Frau Kleinhenz munter drauflos.
»Die haben heute Nacht nämlich versucht, uns zu überfallen.«
»Ja? Wer denn, Frau Kleinhenz?«, fragte Haderlein sofort gespannt
nach.
»Na, die Italiener«, dozierte die alte Dame mit erhobenem
Zeigefinger.
Jetzt wird’s spannend, dachte sich Haderlein und spitzte die Ohren.
»Die Italiener vom anderen Zeltlager stellen immer ihre Kisten bei
mir rein, und dann ist hier alles voll. Und das sind große Kisten. Unten tropft
es raus, aber keiner tut was dagegen. Und das alles wegen der andauernden
Schießerei auf der Straße. Das ist ganz schlecht, vor allem, wenn man
Nachtwache hat. Ich mag nämlich keine Amerikaner, die legen sich immer zu mir
ins Bett. Aber das ist halt so, wenn man den Krieg verloren hat.«
Haderlein blickte fragend zu Huppendorfer, aber der blickte nur
hilflos zurück, und auch Riemenschneider hatte den Kopf skeptisch schief
gelegt. Doch der Hauptkommissar war nicht bereit, so schnell aufzugeben.
Vielleicht hatte er ja auch nur etwas
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