Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
fordere er Gäste auf, allmählich eine Party zu verlassen.
»Lassen wir doch die beiden Frauen in Ruhe arbeiten, und dann gibt es Interviews für alle.« Er warf ein Lächeln in die versammelte Runde.
»Keine Sorge, meine Süße. Du kriegst deinen Exklusivbericht schon noch.«
Und weg war er. Jenna hob eine Augenbraue und sah zu Gail.
»Ich nehme mal an, das war der Weltklasse-Lobbyist Kurt Harding?«
»Jawohl. Der charmante Mr Harding. ›Der Freund des Wählers‹«, sagte Gail, wobei sie einen Wahlslogan zitierte. »Zumindest, wenn man Verbindungen zum Agrarsektor, Fracking oder Kohlebergbau hat.«
Jenna schürzte die Lippen. Harding war ihr alles andere als charmant vorgekommen. Aber die Reporterin schien ganz offensichtlich auf seine Masche hereinzufallen.
»Es schien ihn mehr aufzuregen, dass sie Darrins leiblichen Vater erwähnt hat, als dass Darrin verschwunden ist.«
»Der Junge tut mir am meisten leid. Vielleicht wäre es besser für ihn, wenn er verschwunden bliebe.« Während sie die letzten Worte murmelte, drehte Gail sich schon von Jenna weg. Aber Jenna hörte sie trotzdem. Für eine Stadt wie New Hope, die die Hoffnung im Namen trug, herrschte hier ganz schön viel Verzweiflung. Und das war wohl schon so gewesen, bevor die Ereignisse vor vier Jahren ans Licht gebracht hatten, was in den Höhlen im Bergesinneren vor sich ging.
Adam schreckte immer wieder aus dem Schlaf auf und ging schließlich zu den Kindern, um nach ihnen zu sehen. Sie hatten endlich aufgehört zu weinen und waren eingeschlafen. Trotzdem hielt er sich im Schatten und beobachtete sie vom Grubenrand aus. Er war überzeugt davon, richtig gehandelt zu haben, indem er sie rettete. Dad würde so stolz auf ihn sein. Aber warum spürte er dann diesen Knoten in der Brust, der ihm das Atmen schwer machte? Jedes Mal, wenn er schluckte, brannte es in seinem Hals. Und jedes Mal, wenn er die Augen schloss und sich zum Schlafen legte, füllten sich seine Ohren mit den Schreien der Kinder. Schließlich gab er seine Versuche, wieder einzuschlafen, auf und ging nach draußen, wo es langsam hell wurde. In der Nacht waren gute fünfzehn Zentimeter Schnee gefallen, und Adam war dankbar für seine neuen Stiefel. Soweit er erkennen konnte, gab es keine menschlichen Spuren in der Nähe des Höhleneingangs, und er tilgte seine mit dem Zweig von der Hemlocktanne, auch wenn er sie wegen der Tiefe des Schnees nicht vollständig unkenntlich machen konnte. Aber es beruhigte ihn, dass der Schnee noch immer recht heftig vom Himmel fiel.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber am Waldrand konnte er Lichter an der Schule ausmachen, am anderen Ende von Stolfultzens Maisfeld. Geduckt schlug er sich durch die abgestorbenen Maisstängel, so dass ihn niemand sehen konnte. Schließlich gelangte er auf die Straße und ging den Weg zurück zum Schulgebäude, um zu sehen, was da vor sich ging. Zu seinem Entzücken standen drei Übertragungswagen auf dem Rasen vor der Schule. Sie kamen aus Huntingdon, Altoona und State College. Die Reporter im grellen Scheinwerferlicht trugen Daunenjacken, ihre Hände steckten in Fellhandschuhen und sie gaben sich Mühe, dass man ihnen nicht zu sehr ansah, wie sehr sie froren. Sie berichteten von zwei vermissten Jungen und von einer Suchaktion in der Nacht, die noch immer anhielt.
Von Sally schienen sie noch nichts zu wissen. Adam war sich nicht sicher, ob das gut oder schlecht war. Egal. Die Nachrichten waren draußen. Dad würde bald hier sein. Er würde wissen, was zu tun sei. Adam blinzelte noch einmal, und das Bild von Dads Lächeln vertrieb die Morgenkälte, die in seine Glieder gekrochen war. Dad würde so stolz ein. Er würde Adam nie wieder alleinlassen. Nicht nach diesem Tag.
Die Suchmannschaften hatten die Nacht durchgearbeitet. In erster Linie bestanden sie aus Polizisten, Hilfssheriffs und Gemeindemitgliedern, die Colleen Brady, Martys Mutter, zusammengetrommelt hatte. Am frühen Morgen fanden sich alle nach und nach in der Sammelstelle in der Schule ein, nahmen sich Tassen mit dampfendem Kaffee oder Kakao und streckten erschöpft die Beine von sich. Unter ihren Fußsohlen breiteten sich graue Pfützen geschmolzenen Schnees aus.
Colleen wartete an der Tür und begrüßte hoffnungsvoll jeden Rückkehrer. Mit jedem betrübten Kopfschütteln sank ihre Hoffnung jedoch immer schneller. Lucy stand neben ihr und versuchte, sie aufzumuntern. Sie trug ihren Parka, um sich vor der kalten Zugluft zu schützen, die jedes Mal
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