Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
und entfernte sich von dem Parkplatz, auf dem sich die Suchkräfte versammelt hatten. Mied er den Schnee, weil er seine Füße so trocken wie möglich halten wollte? Warum ging er dann nicht durch die Vordertür? Dort hatte man einen Weg freigeschaufelt. Jenna ging auf die andere Seite des Türrahmens, damit sie den Mann besser sehen konnte. Er trug eine schwarze Lederjacke, Jeans, schwarze Stiefel. Allerdings waren das keine robusten Wanderstiefel, wie sie die Mehrzahl der Suchenden trug. Diese Stiefel sahen nach Cowboystiefeln aus. Für einen kurzen Moment wendete der Mann den Kopf und sie erhaschte einen Blick auf sein Gesicht. Heilige Scheiße. Adam Caine. Ihre Hand fuhr an ihre Sig Sauer. Aber da war keine Waffe. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Sie suchte die Turnhalle ab und entdeckte Bob, der gerade mit hängendem Kopf hereinkam.
Sie unterdrückte das Bedürfnis, seinen Namen zu schreien, da sie nicht wusste, ob es auch draußen zu hören sein würde. Stattdessen rannte sie zu ihm, packte den Hilfssheriff am Arm und zerrte ihn durch die Turnhalle hinter sich her.
»Was ist los?«, fragte er. Seine Stimme klang unendlich erschöpft.
»Die flüchtige Zielperson. Adam Caine. Er ist da draußen.«
Als er das hörte, straffte Bob seinen Rücken.
»Wo genau?«
Jenna führte ihn zur Tür. Caine kauerte noch immer an der Außenwand und lugte um die Ecke. Er beobachtete und belauschte den Suchtrupp. Dabei schien er sich besonders auf die blonde Reporterin zu konzentrieren, die auf der anderen Seite des Zaunes in eine Kamera sprach.
»Bleib hier«, sagte Bob und öffnete leise die Tür.
Niemals im Leben würde sie einfach warten. Sie war eine Sonderermittlerin, kein kleines Mädchen, das er beschützen musste. Sie hielt ihm die Tür auf, damit er beide Hände frei hatte, und gab ihm Rückendeckung. Nicht, dass es viel zum Aufpassen gegeben hätte. Nach zehn Sekunden war die ganze Nummer vorbei. Enttäuschend. Bob tippte Adam lediglich am Arm, zog ihn auf die Füße, legte ihm Handschellen an und tastete ihn ab. Er stellte ein Messer, ein Bündel Bargeld und einen Schlüsselbund sicher und überreichte alles Jenna.
»Bist du Adam Caine?«, fragte Jenna. Die falsche Person zu verhaften war das Letzte, was sie brauchte. Aber er sah genauso aus wie auf dem Foto aus Cleveland, nur dass sein Haar länger und strähniger war.
Er senkte den Kopf.
»Jawohl, Ma’am.«
»Er ist es«, bestätigte Bob und klang dabei mehr traurig als zufrieden. »Adam, hast du irgendeine Vorstellung davon, in welchem Schlamassel du steckst?«
In dem Moment kam Lucy zusammen mit Colleen Brady um die Ecke.
»Adam.« Sie hielt abrupt inne. »Jenna, du willst nicht im Ernst …«
Jenna fasste ihren Gefangenen am Arm.
»Adam Caine, ich bin Sonderermittlerin Galloway von der Bundespost der Vereinigten Staaten und ich nehme Sie in Gewahrsam wegen Verstoß gegen Postparagraph 18, Absatz 876.«
Sie erklärte ihm seine Rechte, wobei sie sich nur ein paarmal verhaspelte.
»Hilfssheriff Bob, bitte bringen Sie den Gefangenen auf die Sheriffwache, wir treffen uns dort.«
Mit ihrem zornigen Blick hätte Lucy die Hölle zum Schmelzen bringen können. Sie schickte Mrs Brady nach drinnen und zog Jenna aus dem Dunstkreis der Reporter.
»Du machst einen Fehler, Jenna. Lass ihn gehen.«
»Ich mache einen Fehler? Ich mache meinen Job. Wenn du deinen gestern gemacht hättest, hätte ich wahrscheinlich niemanden erschossen.«
Wut schoss durch Jennas Adern. Zum ersten Mal seit vierundzwanzig Stunden war ihr nicht kalt.
»Du wolltest doch unbedingt Rachel Strohmeyer befragen.«
»Und du bist unter meinem Auto gelandet und ich habe deinen Arsch gerettet.«
Bob trat zwischen die beiden, Adam Caines Arm fest in seinem Griff.
»Ähm, meine Damen …«
»Was?« Beide drehten sich gleichzeitig zu Bob.
»Wir sollten das auf der Wache austragen, wo nicht so viele …«
Er zeigte mit dem Kinn in die Richtung der Suchtrupps und Reporter auf dem Parkplatz.
»Gute Idee. Geht an der anderen Seite der Schule entlang. Da sind weniger Leute.«
Jenna bereute die Entscheidung augenblicklich, nachdem sie zwei Schritte durch den Schnee gemacht hatte. Jeans und Turnschuhe – selbst wenn sie in Italien hergestellt worden waren, oder vielleicht gerade weil sie in Italien hergestellt worden waren – boten so gar keinen Schutz. Als sie bei Bobs Streifenwagen ankamen, der vor der Schule geparkt war, brannten ihre Zehen vor Kälte. Aber noch mehr als über die Kälte
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