Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
helfen, den Bikern Handschellen anzulegen, bevor sie wieder zu sich kamen. Lucy rollte sich aus ihrer Deckung und zog Roy von den Flammen weg, die mittlerweile über den Rasen tanzten. Kurz danach explodierte einer der Propangasbehälter, flog durch die Luft und prallte auf das Dach des Taurus, wo er eine Delle hinterließ. Die würde schwer zu erklären sein, wenn Jenna den Dienstwagen ablieferte. Darüber, dass sie gerade eben noch genau unterhalb der Stelle gesessen hatte, wo sich jetzt die Delle befand, wollte sie gar nicht weiter nachdenken. Sie riss den Arm eines Motorradfahrers nach hinten auf den Rücken. Adrenalin pulsierte durch ihren Körper. Der Biker schrie vor Schmerz, aber Jenna hörte es kaum, so laut rauschte es in ihren Ohren.
»Rachel«, schluchzte Roy und rannte auf das zerstörte Mobilheim zu. Aber für Strohmeyer kam jede Hilfe zu spät. Die Feuersbrunst war so heiß gewesen, dass sie die Farbe an den Wänden in hässliche, schwarze Blasen verwandelt hatte. Das gesamte Mobilheim war von lodernden Flammen eingeschlossen.
»Wir brauchen Sonderlöschfahrzeuge.« Bob sprach in sein Funkgerät. Dann wandte er sich an Roy. »Und, womit kochst du, Phosphor oder Ammoniumnitrat?«
Roys Gesicht verzog sich zu einer hässlichen Fratze, als er auf das Feuer starrte, aber er wehrte sich nicht, als Lucy ihn an Jenna und seinen Biker-Kumpels vorbeiführte.
»Ohne meinen Anwalt sag ich einen Scheißdreck.«
Hilfssheriff Bob zuckte nur mit den Achseln, als habe er nichts anderes erwartet und setzte seinen Funkspruch fort. »Ruft auch den Bestatter. Sagt ihm, es gibt hier knusprig gebratenes Hühnchen und er soll sich auf einiges gefasst machen.«
Als Roy das hörte, wurde er ganz grün im Gesicht, beugte sich nach vorn und übergab sich in die Rhododendronbüsche am Wegesrand. Jenna konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen. Sie überblickte die Szene. Ein Biker lag vor ihr auf dem Bauch, mit Handschellen gefesselt. So viel zum ruhigen Landleben. In ihr stieg Lachen auf, aber sie unterdrückte es und zwang sich, sich wieder auf ihre Gefangenen zu konzentrieren. Das hier machte verdammt noch mal mehr Spaß als irgendeinem Jungen hinterherzujagen, der anonyme Briefe verfasst hatte. Sie fühlte sich noch immer wie entrückt, alles schien in Zeitlupe abzulaufen. Das Gefühl ließ nicht nach. Mit jedem neuen Atemzug schmeckte sie Katzenpisse und verschmortes Plastik auf der Zunge, und sie versuchte unablässig – und erfolglos – den Geschmack wegzuschlucken. Dann beugte sie sich über den zweiten Motorradfahrer, den, auf den sie geschossen hatte. Er bewegte sich nicht und lag mit dem Gesicht am Boden. Zuerst durchsuchte sie ihn nach Waffen. Sicherheit ging vor. Sie nahm ein Messer und zwei Pistolen an sich und drehte ihn dann um, um Erste Hilfe zu leisten.
Sein Gesicht war blass, aber sie hätte schwören können, dass er seine Lippen bewegte. Jenna konnte nicht sagen, ob er nach Luft rang oder ihr etwas mitteilen wollte. Sie öffnete seine Lederjacke und knöpfte die Weste darunter auf. Ein Blutschwall rauschte ihr entgegen, wie Wasser, das durch einen Damm bricht. Sie knüllte sein T-Shirt um ihre Faust und drückte mit all ihrem Gewicht auf seine Brust. Aber das Blut quoll nur so hervor und überflutete ihre Hände, zuerst hellrot, bis es schließlich immer dunkler wurde.
»Ich brauche Hilfe!«, rief sie ihren Kollegen zu.
»Wag es nicht und stirb mir unter den Fingern weg, du Mistkerl«, redete sie dann auf den Mann ein, während sie versuchte, seine Blutung zu stoppen. »Wag es bloß nicht.«
Sein Blick war schon leblos, aber seine Lippen bewegten sich noch immer. Warum hörten die nicht auf, sich zu bewegen? Verfluchte er Jenna oder vergab er ihr? Sie musste es unbedingt wissen. Sie verlor jedes Zeitgefühl, während sie dort kniete und versuchte, das Leben in ihn zurückzuzwingen. Schließlich zog Lucy sie beiseite.
»Er ist tot«, flüsterte sie.
Die Geräusche vor Ort – das Prasseln des Feuers, das explodierende Plastik, die durchdringenden Sirenen der Krankenwagen und Löschfahrzeuge – stürmten wieder auf sie ein, als habe Jenna sich in einer Blase befunden, die nun geplatzt war. Es brüllte und schepperte und tobte und der Lärm verlangte ihre Aufmerksamkeit, aber sie konnte den Blick nicht von dem Mann abwenden, den sie getötet hatte. In ihrer Kehle klebte noch immer der Geschmack von Katzenpisse und Asche. Ihre Beine waren weich wie Pudding, allein Lucys Griff hielt sie aufrecht.
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