Blutflucht Evolution
voller Wucht das Messer in den Bauch, wobei er es mit besessener Gier mehrmals hin und her drehte.
Einen Moment schien alles um uns herum stillzustehen.
Das ist das Ende
, dachte ich. Alles spielte sich wie in Zeitlupe ab, als der junge Mann die Klinge aus Jacks Bauch zog. Sie war voller Blut. Jack sackte zusammen, die Hände auf den Unterleib gepresst, das Gesicht zu einer schmerzerfüllten Grimasse verzogen.
Nein …
»Verrecke, du abartiger Freak«, zischte Blondie, einen irren Glanz in den Augen, und spukte auf Jack.
Als ich glaubte, ich würde gleich ersticken, ließ Pickelgesicht Bruce endlich von mir ab und lief auf seinen Kumpel zu. »Komm, Steve, lass uns hier verschwinden!«
Sie rannten an mir vorbei, ohne sich einmal umzusehen.
Verzweifelt japste ich nach Luft und konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten. Wie ein Tier versuchte ich mich auf allen vieren Jack zu nähern. Mein gequetschter Hals pochte und schmerzte furchtbar, das Schlucken fiel mir schwer. Als ich wieder genug Luft bekam und die schwarzen Flecken vor meinen Augen verschwanden, blickte ich ängstlich zu Jack, der bewegungslos auf dem Boden lag. Langsam kam ich auf meine zitternden Beine und stolperte auf ihn zu. Oh mein Gott, was war, wenn er tot war? Es war alles meine Schuld, er wollte mir ja nur helfen! Nein, bitte! Er durfte nicht sterben, was für ein Albtraum!
Ich kniete mich neben ihn auf den Boden und berührte seine Schulter. »Jack«, krächzte ich. Meine Augen brannten.
Er stöhnte. Er lebte! Erleichterung durchflutete mich. Vorsichtig versuchte ich ihn auf den Rücken zu drehen, doch meine Kraft reichte nicht aus. Ein rotes Rinnsal floss unter ihm hervor und bahnte sich einen Weg durch den staubigen Boden. Als ich Jack schließlich mit seiner Hilfe umdrehte, war sein graues Shirt mit Blut durchtränkt. Der Anblick war schrecklich. Hoffentlich überlebte er das!
»Geht es dir gut?«, drang es kaum hörbar aus seinem Mund.
Jack lag in einer riesigen Blutlache und fragte, ob es
mir
gutging? Dieser Mann durfte nicht sterben. Das würde ich nicht zulassen! »Du musst sofort in ein Krankenhaus.«
»Nein, kein Krankenhaus«, flüsterte er, die Augen geschlossen. »Ist nicht so schlimm.«
Ich war froh, seine schwache Stimme zu hören, machte mir jedoch ernsthaft Sorgen, dass er gleich sterben würde. Als ich sein blutgetränktes Hemd nach oben schob, offenbarte sich mir das Übel: Etwas links von seinem Bauchnabel klaffte eine Wunde auf. Merkwürdigerweise trat kaum Blut aus, obwohl sie so groß war, dass ich locker drei Finger hätte hineinstecken können. Ob Jack auch innere Verletzungen hatte? Bestimmt waren Organe beschädigt worden, denn das Messer war lang gewesen. Eine schlimme Bauchverletzung führte sehr schnell zum Tod!
»Ich muss mich nur ein wenig ausruhen«, sagte Jack, diesmal etwas lauter. Er versuchte aufzustehen, wobei er schnell und ungleichmäßig atmete. Es war nicht zu übersehen, dass er große Schmerzen litt, trotzdem versuchte er es zu verbergen. Warum mussten Männer immer so verdammt cool sein? Wahrscheinlich stand er unter Schock, das würde erklären, warum er kaum blutete. Er musste in ein Krankenhaus! Verdammt, warum hatte ich bloß schon wieder mein Multi-Phone zuhause vergessen?!
Ich presste die Hände auf seinen Bauch und wollte nach Hilfe schreien, aber es kam nur ein Krächzen über meine Lippen.
Nein, es würde uns ja doch keiner helfen.
»Lass gut sein, Kate, ist nicht so schlimm«, flüsterte er und zog meine Hände weg.
Nicht so schlimm?
Ich lachte hysterisch auf.
Ruhig bleiben, Kate, jetzt nicht die Nerven verlieren!
Ich stand auf und taumelte orientierungslos von links nach rechts. Was sollte ich bloß tun?
Wie paralysiert starrte ich auf das Blut an meinen Händen und wischte es an der Hose ab. »Bleib ruhig«, stammelte ich, »ich hole Sam und rufe einen Krankenwagen.«
Ich war verwirrt und wusste kaum, was ich zuerst machen sollte. »Kann ich dich kurz allein lassen? Ich lauf schnell rauf in die Pension und …«
»Nein, Kate, kein Krankenhaus!« Flehend schaute er zu mir auf. Ein Muskel an seiner Wange zuckte.
»Aber …«
»NEIN!«, schrie er mich fast an. In seinem Blick lag Furcht. Abermals presste er eine Hand auf die Wunde.
Ich verstand das nicht.
In normalem Ton fuhr er fort: »Tut mir leid, ich erklär dir das später. Hilf mir nur rauf ins Zimmer.«
Er wollte in sein Zimmer? War er verrückt?
Seine Worte wirkten auf mich wie eine Ohrfeige und rissen mich
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