Blutige Erde Thriller
stützte sie. »Wir bringen dich nach Hause.«
EPILOG
Die kalte Luft Kentuckys und die Sonne über ihm, die keine Wärme spendete, fühlten sich seltsam fremd an. Als hätte seine kurze Zeit in Afrika die vielen Jahre, die er hier gelebt hatte, einfach weggewischt.
»Laura!«
Wieder kam keine Antwort. Er beschleunigte seine Schritte und erklomm schwer atmend einen steilen Hang, der von Gestrüpp überwuchert war.
Vor drei schlaflosen Nächten hatten sie Plätze in einer der letzten Evakuierungsmaschinen der UN bekommen. Fawns brandige Hand musste medizinisch versorgt werden, also hatte er Annika zurückgelassen, damit diese ihr in einem Krankenhaus in Belgien zur Seite stand. Er selbst hatte den ersten verfügbaren Flug nach Hause genommen.
Die Berichterstattung aus Afrika beschränkte sich im Augenblick auf vereinzelte Meldungen, und die waren nicht gerade zuverlässig. Inzwischen war der Bürgerkrieg in vollem Gange, Mtitis Truppen waren auf der Flucht, und der Präsident versuchte mit allen Mitteln, sein Land zu verlassen. Bisher lehnte jede Regierung, an die er sich gewandt hatte, seine Bitte um politisches Asyl ab, und viele Gelder, die er auf ausländische Konten beiseitegeschafft hatte, waren eingefroren worden. In der südafrikanischen Presse war man sich im Großen und Ganzen einig, dass er die Woche nicht überleben würde.
»Laura!«
Er hatte sie auf seiner Heimreise von jedem Flugzeug
und jedem Flughafen aus angerufen, doch bisher ohne Erfolg. Natürlich war das zu erwarten gewesen. In den Bergen hinter dem Grundstück seiner Familie hatte man keinen Handy-Empfang, und selbst wenn, hätte sie keine Möglichkeit gehabt, den Akku aufzuladen. Doch das hinderte ihn nicht daran, sich während der endlosen Flüge die verschiedensten Szenarien auszumalen, die zu ihrem Ableben geführt haben könnten. Er bezweifelte, dass es irgendeine Todesart gab, die ihm in den vielen Stunden, während er auf die Rückenlehne des Sitzes vor sich starrte, nicht durch den Kopf gegangen war - angefangen mit der Möglichkeit, dass Fedorovs Leute zurückgekommen waren, um sich an ihr zu rächen, über einen Angriff von Ernie Bruce nach Fawns Verschwinden bis hin zu einem Sturz aus dem baufälligen Baumhaus, der sie zu einem langsamen, einsamen Tod in den Wäldern verurteilt hatte.
Er wurde einfach das Gefühl nicht los, dass auf seiner erfolgreichen Flucht aus Afrika bereits alles Glück aufgebraucht worden war, das ihm in seinem ganzen Leben zugestanden hatte. Genau jetzt würde es zur Neige gehen.
Das Baumhaus kam in Sicht. Er ging jetzt langsamer, denn er war nicht sicher, ob er mit dem würde umgehen können, was ihn seiner Überzeugung nach dort erwartete. Was würde er tun? Zurück in die Stadt gehen, Arbeit finden, heiraten und schließlich an Altersschwäche sterben? Mit wie viel Blut an den Händen konnte ein Mensch weiterleben? Mit wie viel durfte man überhaupt weiterleben?
Er erkannte die Gestalt nicht, die sich - bekleidet mit einer schweren Jagdjacke, einem gemusterten Hut auf dem Kopf und einem Gewehr in der Hand - plötzlich aus den Bäumen heraus auf ihn stürzte. Instinktiv hob er die Arme, wurde jedoch beim Zusammenprall nach hinten
geschleudert. Das Gewehr schlug zuerst auf dem Boden auf und rutschte außer Reichweite, während er selbst auf dem Rücken landete und spürte, wie ihm die Luft wegblieb.
»Josh!«
Laura schlang die Arme um ihn und drückte ihn fester an sich, als man es beim Anblick ihres zarten Körpers erwartet hätte. »Im Radio sagen sie, dass dort Krieg ist! Ich dachte, dass du da festsitzt. Ich dachte schon, du kommst nie wieder zurück.«
Die Muskeln, die sich schon so lange verkrampften, dass er es kaum noch spürte, entspannten sich plötzlich, und er merkte, dass er nichts anderes mehr tun konnte, als in das schmutzige, tränenüberströmte Gesicht über sich zu starren.
Man bekam im Leben nicht alle Tage eine dritte Chance. Diesmal würde er für alles dankbar sein, was er hatte. Diesmal würde er alles richtig machen.
Die Originalausgabe
LORDS OF CORRUPTION
erschien bei Vanguard Press, New York
Vollständige deutsche Erstausgabe 05/2010
Copyright © 2009 by Kyle Mills
Copyright © 2010 der deutschen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Satz: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin
eISBN 978-3-641-03887-8
www.heyne.de
www.randomhouse.de
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