Blutige Erde Thriller
italienischen Lederschuh unter dem Tisch hervor. »Und nochmal anderthalb Monate für die hier.«
»Nun, es scheint zumindest nicht, als hätte es dir geschadet. Du siehst toll aus.«
Er wusste, dass das stimmte, obwohl er nicht stolz darauf war. Er hatte in genetischer Hinsicht so viel Glück gehabt, dass man fast hätte misstrauisch werden können. Er war intelligent, groß, gut aussehend und in seinem ganzen bisherigen Leben nur etwa drei Tage krank gewesen. Vielleicht war das der Grund, warum alles andere in seinem Leben auf so gnadenlose und niederschmetternde Weise schiefging.
Er legte die Hände um das kalte Glas vor sich und starrte hinein.
»Bist du okay, Josh?«
»Sehe ich aus, als wäre ich nicht okay?«
»Ehrlich gesagt siehst du aus, als würdest du gleich jemanden umbringen. Ich habe mir schon überlegt, ob ich alle scharfen Gegenstände aus der Bar schaffen soll.«
»So schlimm?«
»Nah dran. Was ist los?«
Er hob das Glas und trank es in einem Zug bis zur Hälfte leer. »Na ja, die Vorstellungsgespräche laufen nicht so gut, wie ich es mir erhofft hatte.«
Das Grinsen, das auf ihrem Gesicht erschien, überraschte ihn nicht. Sie sah nur, dass er einen Abschluss in Maschinenbau hatte, dazu einen brandneuen MBA in Betriebswirtschaft und einen Gesamtnotendurchschnitt von 1,1. Doch die Wahrheit war nicht so einfach. Nichts war jemals so einfach.
»Lass mich raten«, sagte sie, und ihr Lächeln wurde breiter, »die haben dir zweihundertfünfzig Riesen und einen BMW angeboten, während du unbedingt einen Porsche wolltest? Du willst mich doch verarschen, oder? Ich halte mich mit Müh und Not gerade mal auf einer Drei in Soziologie.« Sie beschrieb mit der Hand einen Halbkreis.
»Das hier ist wahrscheinlich der beste Job, den ich je bekommen werde.«
»Vielen Dank für dein Mitgefühl, Cindy.«
»Nein, im Ernst, Josh. Mir kommen gleich die Tränen. Ich geh mir wohl besser mal ein Taschentuch holen.«
Mit wiegenden Hüften kehrte sie zur Theke zurück, und wieder musterte er sie. Jedes Mal, wenn er sie sah, schien sie noch perfekter geworden zu sein. Es waren nicht nur die langen Beine, die unter dem albernen karierten Minirock endeten, den die Kellnerinnen hier tragen mussten, sondern vielmehr die Tatsache, dass für sie scheinbar immer die Sonne schien.
Was in gewissem Sinne wirklich zutraf. Ihre Eltern waren reich, ihre Noten spielten keine Rolle, und die Hälfte der Männer auf dem Campus wäre bereit, für eine Verabredung mit ihr die andere Hälfte um die Ecke zu bringen.
Er hingegen war wirklich aufgeschmissen.
Er hatte gerade sein letztes Bewerbungsgespräch auf dem Campus hinter sich gebracht, und obwohl sein Gesprächspartner überaus freundlich gewesen war, bestand kein Zweifel daran, dass er - genau wie alle anderen - einen Verlierer erkannte, wenn er einen vor sich hatte. Es war kein Problem für Josh, seine Vergangenheit vor seinen Freunden geheim zu halten, doch es war nicht so leicht, sie vor einem professionellen Headhunter zu verbergen, wenn dieser nur über ein halbes Gehirn und einen Internetzugang verfügte. Jeder Kontakt, den er bisher mit einer Firma gehabt hatte, war nach dem gleichen Muster abgelaufen. Anfänglich begeistert von seinen Bewerbungsunterlagen vereinbarten die Personalentscheider einen Termin mit ihm, der dann in Form eines kühlen, desinteressierten Gesprächs stattfand und auf den ein höflicher Brief folgte, in dem man ihm mitteilte, dass er nicht das sei, wonach die Firma suche.
Der Rest des Biers war schneller geleert als üblich, und einen Augenblick später kam Cindy mit einem neuen. Als sie das leere Glas mitnehmen wollte, griff er danach und weigerte sich, es wieder loszulassen. Sie runzelte die Stirn und legte den Kopf schief, doch schließlich zog sie sich mit leeren Händen an die Bar zurück.
Josh schob das Glas an den Rand des Tisches - das erste von vielen. Eine Hommage an die Vielzahl der Verantwortlichkeiten, die auf ihm lasteten, und an die Tatsache, dass er keiner von ihnen je gerecht geworden war. Seine Ausdrucksform? Biergläser und sterbende Gehirnzellen.
Sein Handy klingelte, und er warf einen Blick auf die Nummer des Anrufers. Laura.
Seine Schwester hatte das unheimliche Talent, sich die Termine seiner Vorstellungsgespräche zu merken. Gewissenhaft rief sie ihn jedes Mal danach an, um zu erfahren, wie es gelaufen war. Erstaunlicherweise war dieses Verhalten nichts Neues - sie hatte es bereits getan, nachdem er mit seinem Diplom
Weitere Kostenlose Bücher