Blutige Nacht
rot.«
Sie lächelt. »Gibt es etwas Bestimmtes, worüber du mit mir reden willst, oder ist das Thema egal?«
»Etwas Bestimmtes, ja. Oder, besser, jemanden. Raya van Cleef.«
Ihr Ausdruck verändert sich ein ganz klein wenig. Sie wird unter ihrer Solariumstripperbräune blass. Ein dezenter Geruch von Skepsis erfüllt die Luft. »Wer?«
Ich ziehe Rayas Bild hervor und lasse es vor ihren hellen Augen tanzen. »Ich suche dieses Mädchen.«
Sie schüttelt den Kopf. »Die habe ich noch nie zuvor gesehen.«
Der beißende Geruch einer Lüge brennt in meiner Nase. »Tatsächlich? Mir wurde gesagt, du würdest sie kennen.«
»Wer hat dir das gesagt?«
»Ein Freund von ihr.«
»Tja, wer auch immer das war, hat dich angelogen. Ich kenne sie nicht.«
»Hat sie nicht bei dir gelebt?«
»Welchen Teil von ›Ich kenne sie nicht‹ hast du nicht verstanden?«
»Ich habe dich gehört, das Problem ist nur, dass ich dir nicht glaube. Ich weiß, dass du sie kennst, weil die Person, die es mir gesagt hat, dich mit Namen nannte. Komm schon, spuck es aus. Was braucht es? Mehr Geld? Wie viel nimmt ein Mädchen wie du dafür, die Wahrheit zu sagen? Ein Dollar pro Wort?«
Ich werde mit dem Gesicht hinter der Maske belohnt, dem hässlichen, spöttisch grinsenden, das sie auf der Arbeit zu verbergen versucht, weil Männer ihr hart verdientes Geld nicht für ein solches Gesicht ausgeben.
»Leck mich. Diese Unterhaltung ist zu Ende, du Arschloch.« Sie steht auf.
»Aber ich habe dich für drei weitere Songs bezahlt.«
»Pff, kannst mich ja vor Gericht zerren.«
Mit einem amüsierten Lächeln auf dem Gesicht sehe ich zu, wie sie davonrauscht, ihre durchtrainierten Hüften bewegen sich wie ein Metronom in Seidenhöschen.
Kapitel 9
I ch finde einen Platz auf dem Santa Monica Boulevard, direkt vor dem Dolores, zünde mir eine Zigarette an, lehne an dem Benz und warte, bis ein schwarzer Lincoln Navigator auf silberfarbenen Felgen heranrollt. Als die verdunkelte Scheibe herunterfährt, erhalte ich einen ersten Blick auf Leroy Watkins hinter dem Steuer. Ich erkenne ihn sofort an dem finsteren Blick unter einem schwarzen aufgeplusterten Pusteblumen-Afro, der auf seinem Kopf herumwackelt wie eine Versammlung von Zitterspinnen.
»Bist du der Typ, der mich angerufen hat?«
»Gut geraten.«
»Siehst aus wie einer von den verdammten Bullen. Kannst dich glücklich schätzen, dass ich überhaupt angehalten habe.«
»Das tue ich.«
»Steig ein, Mann.«
Ich ziehe die Tür auf und klettere hinein. Das Innere der Geländelimousine sieht so aus, als wäre es groß genug, um eine eigene Zeitzone zu rechtfertigen. Ich sehe, dass Leroy neben mir von Kopf bis Fuß wie ein Vollmitglied der Los Angeles Lakers angezogen ist. Ein kleines. Das verspiegelte Fenster fährt nach oben, die automatische Türverriegelung nach unten. Wir fahren los.
Ich kann den nervösen Schweißgeruch des zweiten Typen riechen, kurz bevor die schwarze Öffnung seiner Glock meine Schläfe küsst, aber nicht früh genug, um etwas dagegen zu unternehmen. Mein eigener Revolver könnte ebenso gut in einer Regenrinne feststecken, da würde er mir auch nicht mehr nützen als jetzt außer Reichweite hinten im Bund meiner Hose.
Die Pistole riecht, als hätte man sie erst vor kurzem in Gebrauch gehabt. Ein Umstand, den ich nicht unbedingt beruhigend finde. Ich habe keine Ahnung, ob eine Kugel in den Kopf mich umbringt oder nicht. Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich würde es nur Rührei aus meinem Gehirn machen, und ich würde als irgendein sabbernder, unsterblicher, vor sich hin vegetierender Typ enden, sofern mir jemand regelmäßig Bluttransfusionen verabreicht. Das will ich lieber nicht herausfinden.
Im Rückspiegel des Geländewagens sehe ich den Schwarzen mit der Pistole, der genauso glatzköpfig ist wie Leroy behaart.
»Willst du mich deinem Freund nicht vorstellen, Leroy?«
»Nein«, antwortet Leroy. »Mein Boy hier lernt nicht gern Wichser kennen. Für den Fall, dass er sie umlegen muss. So ist es einfacher für ihn.«
Ich nicke. »Das leuchtet ein.«
Leroy biegt links ab und hält dann in einer dunklen, mit Autos zugeparkten Seitenstraße.
»Okay, die Drogenhandlung ist geöffnet. Was willst du? Ganz egal, was du willst, ich habe es. Du siehst mir aus wie ein Typ, der auf H steht.« Das muss man ihm lassen, er kennt sich aus mit seinem Gewerbe.
»Ich will keine Drogen.«
»Wie jetzt? Ich dachte, du wolltest ein bisschen ungesetzliche Geschäfte abwickeln.
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