Blutige Nacht
Getränkekellnerin mit einem so zerknautschten Gesicht wie ein alter Fanghandschuh führt mich zu einem hohen, bierverklebten Tisch im hinteren Bereich. So, wie sie fragt, was ich trinken möchte, klingt es, als hätte sie tausend andere, wichtigere Dinge zu erledigen als ihren Job. Ich versuche verständnisvoll zu sein. Mit einem solchen Gesicht wäre ich ebenfalls säuerlich. Ich bestelle einen Scotch. Single Malt. Mit Eiswürfeln.
Als sie damit zurückkommt, zahle ich mit einem Zwanziger, sage, der Rest sei für sie. Jetzt lächelt sie mich an. Jetzt mag sie mich. Jetzt sind wir Freunde.
»Ich würde Sie gern etwas fragen«, sage ich und mache mir das erkaufte Entgegenkommen zunutze. »Ich bin schon eine ganze Weile nicht mehr hier gewesen, aber früher war ich häufiger da, und dann hat Dallas oft für mich getanzt. Ist sie heute Abend zufällig da?«
»Ich hab sie gerade gesehen. Sie zieht sich um.«
»Klasse! Würden Sie ihr sagen, dass ich sie gern sehen möchte?«
»Aber klar doch, Süßer«, sagt sie und schenkt mir ihr zitronensüßes Lächeln, als sie geht.
Die Zeit im Blue Veil vergeht wie im Gefängnis. Das sollte ich eigentlich wissen. Ich lausche den Songs, die ich nicht kenne und nicht verstehe, Songs, die im Nägel-auf-Tafel-kratzenden Gequietsche der Gitarren untergehen. Ich trinke. Rauche. Warte und warte noch etwas länger.
»Sie wollten mit mir sprechen?«
Ich reiße meinen Blick von dem barbusigen asiatischen Mädchen los, das sich auf der Bühne windet, und finde neben mir eine attraktive Blondgefärbte mit kühlem Blick und mürrisch verzogenem Mund, zum Meckern geradezu geschaffen. Ihre gebräunte Haut kontrastiert mit ihrem Seiden-BH und dem Höschen. Sie lächelt mich an, aber es sieht gezwungen aus, wie eine schlechtgelaunte Fernsehkatze, der man gegen ihren Willen ein paar Tricks beigebracht hat.
»Sie müssen Dallas sein.«
Sie nickt, ihr Gesicht ist hübsch, trotz des zickigen Ausdrucks. Oder vielleicht auch gerade deshalb.
»Nehmen Sie sich einen Stuhl.«
Mit einem verschlagenen Lächeln streckt sie die Hand nach mir aus und fingert an meiner Krawatte herum. »Lass uns erst über die Bedingungen sprechen.«
»Es gibt Bedingungen?«
Wieder nickt sie. »Ich bin beim Arbeiten. Ich kann nicht nur herumsitzen und die ganze Nacht durchquatschen. Ich bin hier, um Geld zu verdienen.«
»Das habe ich verstanden. Wie teuer wird das Ganze denn für mich?«
»Genauso teuer wie bei einem Lapdance. Ein Zwanziger pro Lied.«
»Ganz schön teuer für ein bisschen reden. Ich dachte immer, reden wäre billiger.«
Sie zuckt mit den Schultern. »Inflation. Wenn du es billig willst, kannst du mit einer der anderen Zicken hier reden.«
Ich kann nicht umhin zu bemerken, wie ihre riesigen falschen Brüste sich gegen den hauchdünnen Stoff ihres BHs pressen. Andererseits, warum sollte ich das nicht wollen? »Okay, dann lass uns mal mit fünf Songs starten.« Ich ziehe einen von Reesas Hundertern heraus und lege ihn auf den Tisch.
Dallas Augen werden weit, als sie sieht, wie dick meine Rolle ist. Ich kann fast schon hören, wie es in ihrem Hirn wie auf einem Rechenbrett klickt, und sie überlegt, wie viel sie davon aus mir herausbekommen kann und wofür. Sie zieht den Schein knisternd vom Tresen und lässt ihn wie eine Zauberin in ihrem D-Körbchen verschwinden.
Sie belohnt mich mit einem weiteren Kühlschrank-Lächeln und setzt sich auf den Stuhl neben mich, was mich an Reesa am vergangenen Abend erinnert, als sie sich den Barhocker genommen hatte. Dallas kann dem Vergleich nicht standhalten. Obwohl sie schlank und muskulös ist, fehlt es ihrem Körper an der fließenden Anmut, an Reesas weichen Kurven. Sie sieht für mich ungenießbar aus. Hart. Meiner Ansicht nach ist eine Nacht mit ihr so reizvoll, als würde man einen Holzpfosten vögeln. Dabei kann man sich Splitter zuziehen.
»Wie heißt du?«, fragt sie.
Ich sage es ihr. Dann sage ich: »Lass mich raten – du kommst aus Dallas, oder?«
Sie schüttelt den Kopf. »Fort Worth, aber das hörte sich nicht so gut an.«
Ich bin geneigt, ihr zuzustimmen. Sie streckt die Hand aus und fährt mit ihrem falschen Nagel am Rand meines Ohrs entlang. Es soll wohl verführerisch sein, mich bringt es nur dazu, mich kratzen zu wollen.
»Du bist ganz hinreißend, weißt du das?«
»Ich wette, das sagst du zu allen Männern.«
»Stimmt.« Sie zuckt mit den Schultern. »Aber bei dir meine ich es wirklich so.«
»Deinetwegen werde ich noch
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