Blutige Rache: Wegners schwerste Fälle (German Edition)
uralten Computer gestartet, den sie im letzten Jahr von ihrem Onkel bekommen hatte. Wenn es schnell ging, dann brauchte dieser rund zehn Minuten, bis das Betriebssystem zögerlich Bereitschaft signalisierte. Sie konnte nur hoffen und beten, dass der Junkie, in der Wohnung nebenan, nicht wieder seinen Router abgeschaltet hatte. Nur über dessen Internetverbindung konnte Magda Kontakt zur Außenwelt, und insbesondere zu Gabriel aufnehmen.
Mit zitternden Fingern öffnete sie den Browser und loggte sich in ihr Postfach ein. Hinter ihr erwachte in diesem Moment ihre Mutter häppchenweise zu neuem Leben. Zuerst ein leises Brummen, dann war es ein Stöhnen. Magda drehte sich um und schaute in ihr faltiges Gesicht, das an jedem Tag den Alkohol der letzten Jahre deutlich widerspiegelte.
»Ach du bist es nur ...«, brummte ihre Mutter müde und packte eine Bierdose vom vergangenen Abend, in der sich offensichtlich noch ein paar Schlucke befanden. Jetzt griff sie zu ihrer Zigarettenschachtel und warf sie kurz darauf genervt auf den Tisch zurück. »Scheiße! Keine Kippen mehr«, war ihr geistreicher Kommentar, bevor sie sich wieder umdrehte und augenblicklich entschlummerte.
Aufgeregt öffnete Magda die Mail von Gabriel. Alle Hoffnung, all ihr Mut, all ihre Kraft die Demütigungen weiterhin zu ertragen – alles hing nur an diesem Mann und seinem Versprechen. Wenig später überflog sie die drei kurzen Zeilen und saß zunächst nur wie erstarrt eine ganze Weile vor dem flimmernden Monitor. Dann, als ob ihre Finger von einer höheren Macht beherrscht würden, hackte sie mechanisch auf der Tastatur herum:
Lieber Gabriel!
Mein Leben liegt in Ihren Händen. Ich habe keine Kraft mehr und ertrage es nicht, weiterhin von meinen Mitschülern gedemütigt zu werden. Entweder Sie helfen mir, oder ich muss es allein versuchen – ohne Ihre Hilfe. Wir haben noch zwei Wochen, bis ich vierzehn werde. Bitte helfen Sie mir. Bitte ... bitte ... bitte!!!
Magda
Nur ein paar Sekunden später, ohne ihre Worte ein weiteres Mal zu überdenken, drückte sie auf den Knopf, der die Mail auf den Weg brachte. Jetzt konnte sie nur noch warten und hoffen. Im Falle einer Absage, würde sie ...
Was würde sie? Ja was ...? Völlig zusammengesunken saß sie auf dem klapprigen Stuhl und starrte mit leerem Blick auf den Monitor. Was würde sie? Was ...?
***
Seit einer guten Stunde schickten sich Robert Falke und Axel Mails hin und her. Ihre Pläne nahmen immer konkretere Ausmaße an. Ein sicherer Ort für ihr Treffen war bereits vereinbart. Alles erschien gut durchdacht und zumindest in der Vorstufe wie ein Kinderspiel. Gerade wollte Falke sich an die nächste Mail machen, als oben rechts ein Umschlag blinkte. »Magda«, leuchtete auf, als er mit dem Mauszeiger herüberfuhr.
Magda ... wieder Magda! Was sie von ihm wollte, konnte er sich lebhaft ausmalen. Dafür brauchte er ihre Mail nicht einmal zu lesen. Trotzdem öffnete er sie und studierte die Zeilen gründlich. Jetzt flogen seine Finger über die Tasten. Er hatte es eilig und musste eine ausführliche Antwort eben auf später verschieben.
Liebe Magda!
Ich kann deine Frustration gut nachvollziehen und wünschte, dass ich dir helfen könnte. Ich werde mir Gedanken machen und meine Absage zumindest näher begründen. Zuerst muss ich mich allerdings noch um ein paar Dinge kümmern.
Mir wird etwas einfallen, wie ich dir und deiner Mutter auf andere Art und Weise helfen kann. Versprochen!
Liebe Grüße
Dein Gabriel
***
Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis ein Klingeln Magda auf eine neue Mail aufmerksam machte. Erneut zitterten ihre Finger, als sie auf den kleinen Umschlag klickte. Langsam studierte sie Gabriels Nachricht, die jedoch kaum eine positivere Stimmung in ihr schüren wollte. Eine Absage blieb eine Absage, ganz gleich wie man diese im Nachhinein begründete. Nachdem sie auch diese Nachricht in den Papierkorb befördert hatte, grübelte sie weiter an der zentralen Frage: Was sollte sie tun? Was blieb ihr jetzt noch, als ...?
***
Der grobe Umriss stand bereits fest. Tobias Franke, Axels gemeinster Peiniger, nahm jeden Tag den gleichen Weg von der Schule bis in den noblen Vorort von Dortmund. Auf diesem Weg galt es ihn zu überwältigen und danach entschlossen die Sache zu beenden. Direkt im Anschluss wollte Axel sich der Polizei stellen und die volle Verantwortung für diese Tat übernehmen. Um seine Strafunmündigkeit wusste er und was hatte er denn zu befürchten, außer
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