Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Teufel. »I, nun, I bin mit moim Mäxle …« Suchend sah sie sich um. »Ja, wo isch er denn überhaupt?«
»Keine Sorge«, sagte die Schwester und hängte die Infusion an einen mitgebrachten Ständer. »Dem geht’s gut. Er sitzt unten am Empfang hinter der Theke.«
»Nun, I bin mit meinem Mäxle, einem Mops, wissen Se, in den Obschtwiesen uf dr Neckarhalde spaziere gange. Ond da überholt mich so ein junger Moa. I dacht erscht, des isch an Jogger. Aber wie er sich umdreht, da seh I, dass er oine Maske trägt, wie oin Aff, a Schimpanse, glaub I.«
Der Kommissar schrieb eifrig auf seinem Block mit. »Sein Gesicht haben Sie also nicht sehen können?«
»Noi, sag I doch, der war maskiert.«
»Und wie war er sonst gekleidet?«
»Koi Ahnung. Was moinet Se, wie mir dr Schreck in d’ Glieder gfahre isch bei dem Ablick.« Leonie nickte. Das konnte sie sich vorstellen.
»Ond dann hat er an meiner Handtasch zoge und I han se feschtghalte, und es ging na ond num…« Ein Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit, und Leonie konnte sich plötzlich vorstellen, wie sie vor fünfzig Jahren ausgesehen hatte. »I han net so schnell uffgebe. Des het der net erwartet ghätt, dass an alts Weib wie I so kämpft. Ond dass dr Mops ihn in d’ Wade zwickt.«
»Aber schließlich hat er es doch geschafft, der Schimpanse«, sagte der Kommissar. »Und Sie sind dabei gestürzt.«
Die alte Frau nickte. »Ond han mir mein Arm broche. An komplizierter Bruch am Elleboga. Ond morge werd I opriert. Nur schad isch, dass I so viel Geld dabei ghätt han. Fünfhundert Euro für mein neie PC.«
Der Kommissar nickte und runzelte die Stirn unter seiner grauen Bürstenfrisur. »Und das Geld hatten Sie gerad erst abgeholt?«
»Von der Kreissparkass, jawohl.«
»Und könnte der Täter Sie dabei beobachtet haben?«
Frau Deringers Augen wurden groß. Leonie hob den Deckel vom Tablett. Der blutrote Tee darunter dampfte nicht mehr, und die Wurstplatte sah schon etwas mitgenommen aus. »Möchten Sie einen Früchtetee, Frau Deringer?«
Der Kommissar schaute Leonie missbilligend an.
»Ja, gern«, sagte diese und ließ sich von Leonie die Tasse rüberreichen. Sie trank einen Schluck. Sybille hatte sich auf einen Besucherstuhl an der Wand gesetzt.
»Des tut gut.«
»Und könnte es sein, dass Ihnen der Täter von der Stadt aus auf die Neckarhalde gefolgt ist?« Leonie schaute auf. Das bedeutete, dass er mit ihnen im gleichen Bus gewesen sein musste.
»I woiß net«, sagte Frau Deringer. »Darauf han I net geachtet. Aber das Fräulein Hausmann hier war mit mir im Bus, mit ihrem Kleinen. Fraget Se doch sie!«
Der Kommissar wandte sich zu Leonie um und schaute sie nachdenklich an. Seine Augen waren leuchtend blau und von einem Kranz aus Falten umgeben. »Ist Ihnen etwas aufgefallen?«
Sie dachte kurz nach. »Nein«, sagte sie dann. »Der Bus war gedrängt voll, so voll, dass sich die Leute noch im Gang auf die Füße traten.«
»Und was für Leute fuhren mit Ihnen?«
»Pendler, Schüler, Studenten … es war der Bus um 17.22 Uhr, Rushhour.«
»Also ein lebendiger Querschnitt durch unsere Gesellschaft.«
»Aber verdächtig …« Sie überlegte kurz. »War eigentlich niemand. Ich hab aber auch nicht so genau hingeschaut.«
»Das ist ja nicht sehr viel, was Sie beide beizutragen haben«, resümierte der Kommissar.
»Was erwarten Sie eigentlich?«, fuhr ihn Sybille von ihrem Beobachtungsplatz aus an. »Frau Deringer steht unter Schock, und meine Schwester war mit ihrem Baby beschäftigt. Warum sollte man da die Leute im Bus beobachten?«
Manchmal wunderte sich Leonie über Sybilles heftige Reaktionen der Polizei gegenüber, die wahrscheinlich auf ihre einzige Schwäche zurückzuführen waren. Wenn man wie Sybille sein Auto außer auf dem Schulparkplatz mit Vorliebe im Halteverbot abstellte, geriet man schon einmal in Konflikt mit den Gesetzeshütern.
Der Mund des Kommissars verzog sich zu einem halben Grinsen. »Nichts für ungut, meine Damen. Das ging hier nur um einen ersten Eindruck. Ich lasse Sie jetzt in Ruhe. Aber morgen werden Sie wohl wieder mit mir rechnen müssen, Frau Deringer.« Er grüßte, indem er die Hand an die Stirn hob. »Und Sie, Frau –?«
»Hausmann«, sagte Leonie.
»Kommen Sie bitte morgen früh in die Polizeidirektion, damit ich Ihre Aussage aufnehmen kann!«
7.
Als das Telefon klingelte, war Sabine Marian gerade dabei, ihre Aufzeichnungen über die Aktivitäten zu Stuttgart 21 zu sortieren. »Baumbesetzer im
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