Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Stuttgarter Schlossgarten«, lautete der Titel ihrer Reportage in der nächsten Ausgabe. Verflixter Mist auch, dass ihre Sekretärin nur halbtags arbeitete. Fluchend schaufelte sie sich durch die Berge von Büchern, Zeitschriften und Notizen auf ihrem Schreibtisch und fand ihr Handy schließlich unter der Stuttgarter Zeitung von gestern.
»Schwabenspiegel«, sagte sie.
»Spreche ich mit Frau Marian?« Die Stimme der Frau war leise, zurückgenommen, als würde sie sich belauscht fühlen. Ein kaum hörbarer Akzent schwang in ihren Worten mit.
»Das tun Sie. Und mit wem spreche ich?«, fragte sie so höflich wie möglich.
»Ich kann Ihnen meinen Namen leider nicht sagen«, gab die Fremde zurück. »Aber meine Nachricht könnte wichtig für Sie sein.«
Ein anonymer Anruf brachte Ärger mit sich. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Sabine Marian pustete sich eine blonde Haarsträhne aus der Stirn und war plötzlich versucht, das Telefon unverrichteter Dinge in die Ecke zu pfeffern. Doch dann siegte die Neugier, die die beste oder aber die tödlichste Eigenschaft ihres Berufsstands war.
»Um was geht es denn?«
»Haben Sie von den Morden an Massimo und Maria Girolamo gehört?«
Massimo! Sie schnappte nach Luft und fühlte sich, als hätte ihr plötzlich jemand einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf geschüttet. »Was wissen Sie darüber?«, fragte sie und hörte selbst, wie gepresst ihre Stimme klang. Indem sie ihre leere Kaffeetasse fixierte, schaffte sie es geradeso, die Tränen wegzublinzeln.
»Warten Sie! Ich bin hier nicht allein.«
Im Hintergrund hörte Sabine Marian eine Gruppe Menschen reden, Stimmen und Schritte, die lauter wurden, hallender, und sich dann verloren, als befänden sie sich in einem langen Flur.
»Besser?«, fragte sie.
»Ja.«
»Wissen Sie, warum Massimo und Maria sterben mussten?«, fragte Sabine Marian weiter.
Es gab eine kurze Pause. »Das müsste Ihnen doch sonnenklar sein«, sagte die Frau leise. Sabine spürte, wie ihr Magen revoltierte. Genau diese Worte wollte sie absolut nicht hören. »Keine Schutzgelderpressung?«, fragte sie und ärgerte sich, dass ihre Stimme so kläglich, so stark nach Schuldgefühlen klang.
»Wenn jeder, der mit der Geldübergabe und sonstigen Sachen rumzickt, gleich erschossen würde, hätten sie viel zu tun«, sagte die Frau am anderen Ende der Leitung spöttisch.
»Woher wissen Sie diese Dinge alle? Sind Sie eine Insiderin?«
»Vielleicht«, sagte die Frau nach kurzem Zögern. »Aber was ich Ihnen verraten kann, ist brisanter als alles, was Sie selbst recherchieren könnten.«
Sabine Marian spürte, wie sie ungeduldig wurde. »Und was ist das?«
»Der Name des Mörders.« Die Stimme am anderen Ende der Leitung war so brüchig wie ein getrockneter Schilfhalm.
»Sind Sie sich sicher?«
»Wenn ich ein Wort zu viel sage, bin ich tot. Deshalb gebe ich Ihnen nur einen Namen. Und jetzt hören Sie gut zu …«
8.
Leonie erwachte, weil ihr jemand die Decke wegzog. Schlaftrunken richtete sie sich auf und schaute in die Augen von Max, dem Mops. Zwischen den Zähnen hatte er ihr Sommerbett und zog es noch ein Stück tiefer, bis sie nur noch in Shorts und T-Shirt auf dem Laken lag und erbärmlich zu frieren begann. Verdammt! Das hatte sie ja ganz vergessen. Als die Schwestern gestern Abend das Krankenhaus verlassen wollten, war ihnen der freundliche Mitarbeiter am Empfang hinterhergesprintet und hatte sie eingeholt, bevor sie die Drehtür durchschreiten konnten.
»Was mache ich denn jetzt mit dem Hund?«, hatte er gefragt. Irgendwie flehentlich. Sie hatten sich sprachlos angeschaut.
»Der Wolfi …«, versuchte es Leonie.
»Ist in Karlsruhe«, vollendete Sybille. Frau Deringers erwachsener Sohn hatte dort vor drei Wochen seine neue Stelle als Mitarbeiter einer Versicherung angetreten.
»Dann muss ich das Tierheim anrufen. Oder könnten Sie nicht vielleicht…?« Die Augen des Portiers richteten sich hoffnungsvoll auf Sybille. Die Drehtür drehte sich und spuckte eine Handvoll Krankenschwestern und Pfleger nach innen, von denen ein kräftiger Geruch nach Zigarettenrauch ausging.
»Ich?« Sybille riss die Augen auf und schlug die Hand vor die Brust. »Ich habe noch drei Wochen Schule. Aber vielleicht kannst du ihn ja in Pflege nehmen, Leonie. Du bist doch sowieso zu Hause. Und Papa und Basti könnten dir helfen.«
»Ich habe überhaupt keine Erfahrung mit Hunden«, sagte Leonie zweifelnd. Außerdem hatte Max sie bei jeder bisherigen
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