Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Begegnung angeknurrt, so wie er es mit jedem machte, der ihn auch nur ansah. Der Portier kam zurück und brachte den Mops an der Leine mit. Noch war er brav. »Bitte!«, sagte er und drückte ihr die Leine in die Hand. »Machen Sie mit ihm, was Sie wollen!« Der Mops hatte sich auf sein fettes Hinterteil gesetzt, die merkwürdigen dünnen Beine daneben abgestellt und seinen Kopf schief gelegt. Da hatte sie nicht mehr Nein sagen können.
Und da war er nun, hielt die Bettdecke zwischen den Zähnen fest und schaute sie aus seinen dunklen Augen an. Mit seiner platten Nase war er ein Inbegriff von Hässlichkeit, wie ein fetter chinesischer Koch. Tatsächlich! Er hatte sogar am Hals Speckrollen wie Schweineschwarten. Geknurrt hatte er seither allerdings nicht mehr, gebellt auch nicht. Wahrscheinlich wusste er, dass es diesmal ums Ganze ging.
Leonie setzte sich auf die Bettkante, ließ die Beine baumeln und fixierte den Mops.
»Hör mir gut zu, Max!«, sagte sie ernst. »Das hier klappt nur, wenn wir uns beide Mühe geben. Geknurrt wird nicht mehr, dafür aber aufs Wort gehorcht. Und das da …« Sie deutete auf Leander, der sich an seinen Gitterstäben aufgerichtet hatte und den Hund sprachlos anstarrte. »Ist Leander. Der ist klein. Den kannst du beschützen. Das musst du sogar, wenn du es dir mit mir nicht verderben willst.«
Sie hatte keine Ahnung, was Max jetzt brauchte. Hundefutter und Wasser wahrscheinlich, oder vielleicht eine Runde Gassi gehen, zu der sie ihren Vater verdonnern konnte. Sie schwang ihre Beine aus dem Bett, schnappte sich Leander und holte ihn zu sich ins Bett. »Eins musst du dir merken. Der da ist immer zuerst dran.«
Eine Stunde später stand sie auf der Agnesbrücke vor der Esslinger Polizeidirektion. Ihr Vater hatte Max, den Mops, mit stoischem Gleichmut übernommen und den unternehmungslustigen Leander in den Buggy gesetzt. Dann war er mit beiden nach draußen gegangen, Hundefutter kaufen und sonstige Geschäfte erledigen. Währenddessen wischte ihre türkische Putzfrau Emine kopfschüttelnd die Küche, die noch von der gestrigen Kirschmarmeladeaktion in keinem guten Zustand war.
Es war gerade neun Uhr. Nach dem Gewitter spannte sich wieder ein klarer blauer Himmel über der Stadt, vor dem sich die beiden sandsteinfarbenen Türme von St. Dionys abhoben. Auf dem Neckarkanal fuhr gerade eine Gruppe Touristen vorbei, die ihr begeistert zuwinkten.
»Juhu!«, schrien die unternehmungslustigen Herren im grauen Anzug und lockerten ihre Krawatten über den weißen Hemden. Sicher eine Gruppe Manager von Daimler bei einer Erlebnistour. Leonie schüttelte den Kopf und konnte ihre gute Laune zumindest an diesem Morgen nicht teilen. Manchmal glich die Stadt, deren Weihnachtsmarkt in ganz Deutschland bekannt war, jetzt auch im Sommer einem Taubenschlag. Der Gruppenleiter steuerte den Kanadier sicher über die kleine Staustufe, und die Gäste jubelten begeistert. Willkommen in Fun City , dachte Leonie düster. Der Reiher, der wie immer auf der kleinen Insel auf seine Beute wartete, breitete majestätisch seine Flügel aus und flog davon.
Sie überquerte die Straße und stand einen Moment später im Vorraum der Polizeidirektion. Die Tür nach innen war verriegelt und gab den Blick auf ein neonbeleuchtetes Foyer frei.
»Ich habe einen Termin bei Hauptkommissar Fritz Keller«, teilte Leonie der Dame an der Sprechanlage mit. Sie kannte das Gebäude eigentlich nur durch das öffentliche Parkhaus, das sich im Keller befand und einen guten Ausgangspunkt für sämtliche Einkäufe in der Innenstadt bot. Schon hier im Vorraum fühlte sie sich wie eine Delinquentin, die man gleich abführen und festnehmen würde. Was für ein Unsinn! Leonie konzentrierte sich auf ihre Aussage. Hatte sie im Bus irgendetwas Verwertbares wahrgenommen? Sie dachte nach und schüttelte dann den Kopf. Was sie dem wissensdurstigen Kriminalpolizisten mitteilen konnte, war verdammt mager. Nach guten fünf Minuten Wartezeit holte sie eine junge Frau in Zivil ab.
»Ich habe eine Aussage zu dem Handtaschenraub von gestern zu machen«, sagte sie.
Die Polizistin lächelte sie ermunternd an. »Da wird sich Herr Keller aber freuen. Soweit ich weiß, gibt es noch kaum Spuren.«
Sie führte Leonie in den ersten Stock. Das Büro von Hauptkommissar Keller lag zur Ringstraße hinaus, über der sich grün und malerisch die Weinberge erhoben.
»Ja, grüß Gott, Frau Hausmann. Der frühe Vogel fängt den Wurm.« Keller stand auf und begrüßte
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