Blutiger Sand
Gebäudekomplex in unser Blickfeld. Orlando schlägt vor, den Peoplemover zu benützen. Als wir mit dieser merkwürdigen Hochbahn die paar Meter ins Herz des CityCenters fahren, kann ich mir die Bemerkung nicht verkneifen, dass er schon mal hier gewesen sein muss, weil er sich doch so gut auskenne.
„Hier haben sich viele weltberühmte Architekten verewigt“, beteuert er eifrig und deutet auf die schrägen Zwillingstürme von Helmut Jahn.
Seit wann interessiert sich mein Freund für moderne Architektur?
„Und die tolle Fassade hat kein geringerer als Daniel Libeskind entworfen.“
„Woher weißt du das?“
„Vorhin, als ich allein unterwegs gewesen bin, hat mich ein netter Typ angequatscht. Stell dir vor, er hat mich für eine deutsche Touristin gehalten und mich auf ein Eis eingeladen. Er heißt Markus und studiert Architektur in Berlin. Ist richtig süß und unheimlich klug …“
„Das darf einfach nicht wahr sein! Wir sind noch keine vierundzwanzig Stunden in der Stadt und schon hast du wieder jemanden kennengelernt. Du bist und bleibst ein Weltmeister im Aufreißen!“
„Höre ich Neid aus deiner Stimme?“
Ich gebe ihm einen Klaps auf seinen wohlgerundeten Po.
„Den Namen kenne ich“, sagt er aufgeregt.
Ich denke, er spricht nach wie vor von Libeskind. Doch er deutet auf eine überdimensionale Glasfront mit einer mindestens zwanzig Meter hohen Roberto-Cavalli-Werbung und ehe ich etwas sagen kann, ist er bereits in dem supermodernen Einkaufszentrum verschwunden. Mir bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Wir drücken uns die Nasen an den Scheiben von Tiffany, Dior und Louis Vuitton platt. Wagen uns aber in keines der sündhaft teuren Designergeschäfte hinein.
Als ich über einem italienischen Lokal den Namen des berühmten österreichischen Kochs Wolfgang Puck entdecke, schlage ich vor, dort eine Kleinigkeit zu essen. Ein Blick auf die Speisekarte und ich entscheide mich für den Imbiss-Stand am Ende der Rolltreppe, der ebenfalls zu Wolfgangs Pucks Imperium gehört.
Das Sandwich mit Rindfleischsalat schmeckt ausgezeichnet. Orlando lobt seinen Donut.
Wieder gestärkt machen wir einen Streifzug durch die schicken Galerien. Angesichts der Preise für die meist monströsen und zum Teil kitschigen Kunstwerke wird Orlando richtig ehrfürchtig. Wahrscheinlich wird er heute Nacht davon träumen, in einer dieser Galerien auszustellen. Orlando ist Maler. Autodidakt. Und bisher nicht gerade von Erfolg verwöhnt.
„Ich würde mir gern das Mandarin Oriental ansehen. Markus meinte, das sei eines der schönsten Hotels der Stadt“, sagt er, als wir am anderen Eingang des CityCenters angelangt sind.
Wir fahren hinauf in die Bar im 23. Stock. Oben angekommen sind wir uns einig, dass dieses Hotel von allen exklusiven Hotels, die wir bisher gesehen haben, am geschmackvollsten eingerichtet ist. Dezente, warme Farben, bequeme Sitzmöbel, hübsche asiatische Accessoires, raffinierte Beleuchtung. Die Fenster der Bar reichen bis zum Boden. Die Aussicht auf die Stadt ist atemberaubend. Wir trinken Kaffee und machen ein paar Fotos.
Mein Handy läutet. Er ist es!
Detective Hunter schlägt vor, abends gemeinsam essen zu gehen.
„Ich hole Sie um sieben Uhr in Ihrem Hotel ab. Okay?“ Er klingt gehetzt. Legt gleich wieder auf, nachdem ich zugesagt habe.
Plötzlich habe ich es eilig, zurück ins Pink Flamingo zu kommen. Ich spendiere uns ein Taxi.
„Das Bad gehört für die nächste halbe Stunde mir“, sage ich zu Orlando.
Seinen Protest überhöre ich geflissentlich.
Ich ziehe ein wadenlanges, gelbweiß geblümtes Sommerkleid mit tiefem Ausschnitt an. Das einzige Kleid, das ich mitgenommen habe.
„Du solltest mehr Bein zeigen“, lautet Orlandos Kommentar.
„Ich fühle mich in einem langen Kleid wohler. Und jetzt schau, dass du bald fertig wirst. Ich geh schon mal in die Lobby. Wir sind spät dran, es ist zehn nach sieben.“
„Na und? Der Detective wird uns sicher nicht davonlaufen.“
„Beeil dich trotzdem, sonst gehen wir ohne dich essen!“
Nicht nur ich habe mich in Schale geworfen, auch Detective Hunter sieht sehr gut aus in seinem dunkelblauen Hemd und der weißen Jeans, die seinen knackigen Hintern bestens zur Geltung bringt. Ein mitternachtsblaues Leinensakko hat er lässig über die Schulter geworfen.
Er schenkt mir einen bewundernden Blick, kann sich aber nicht zu einem Kompliment durchringen.
„Wohin möchten Sie gehen, haben Sie einen speziellen Wunsch?“
„Machen Sie
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