Blutiger Sand
mehrstöckiges Holzhaus, wenn ich mich richtig erinnere.“
Ich wundere mich, dass die Mörder hier, direkt am Highway, zugeschlagen haben, und sage das auch zu Simon.
„Damals sind hier ständig Autos vorbeigerauscht. Der Lärm war unerträglich. Bestimmt hat keiner den Schuss gehört, den Dick Carson abgefeuert hat. Außerdem hat er einen Schalldämpfer benützt. Und der andere hat ohnehin lautlos mit dem Messer getötet.“
„Lasst uns nachschauen, ob es den Pool noch gibt, in dem der Mann erschossen worden ist.“
Wir klettern über das mannshohe Gitter. Simon hilft zuerst Orlando und mir hinauf. Als ich oben hänge wie ein Äffchen, weiß ich nicht, wie ich auf der anderen Seite wieder hinunterkommen soll, ohne mir die Beine zu brechen.
„Spring“, sagt Orlando und macht es mir vor. Hält sich mit beiden Händen oben fest und lässt sich hinuntergleiten.
Es sieht ganz einfach aus.
Ich mache es ihm nach. Lande blöderweise auf meinen Knien.
„Scheiße!“
„Hast du dir wehgetan?“ Simon kontrolliert den Riss in meiner Jeans.
Ich blute nicht. Die Haut auf meinem linken Knie ist ein wenig abgeschürft.
Der Pool ist die ganze Kraxelei nicht wert gewesen. Ein leeres, völlig verschmutztes Becken, das von den Zimmern des Motels aus direkt erreichbar ist. Trotzdem tauchen sofort schreckliche Bilder in meinem Kopf auf. Ich sehe plötzlich einen Mann, der nach Luft ringt, vor mir. Sehe, wie er langsam untergeht. Sehe das viele Blut, das sich im azurfarbenen Wasser ausbreitet. Blut, nichts als Blut …
„Hauen wir lieber ab, bevor uns jemand entdeckt.“ Ich vergesse immer wieder, dass wir einen hochoffiziellen Bundesbeamten dabeihaben. Bestimmt würde es kein örtlicher Sheriff wagen, Detective Simon Hunter wegen unberechtigten Betretens oder Besitzstörung zu verhaften.
Wir machen ein zweites Mal Halt in Flagstaff, vor dem „Roadhouse Grill“.
Simons Cousine Alice hat heute nicht Dienst.
Es ist spät geworden. Simon beschließt, sich nicht auf die Suche nach ihr zu machen und ebenso wenig nach Orlandos One-Night-Stand Pat Ausschau zu halten.
„Die Adresse deines Freundes Pat können wir leicht herausfinden. Ich werde einen Kollegen bitten, ihn zu befragen. Und Alice ist bestimmt nicht scharf darauf, sich meine Vorwürfe anzuhören.“
Überraschenderweise protestiert Orlando nicht. Hat er seine Eroberung schon wieder vergessen?
Im Dunkeln fahren wir auf der Route 66 weiter Richtung Grand Canyon.
Kurz vor neun Uhr abends kommen wir in Williams an. Simon hält vor dem ersten Motel am Ortsrand und geht fragen, ob noch Zimmer frei sind.
Ich glaube es kaum, aber sie haben sogar Raucherzimmer.
Es ist kalt geworden hier oben, in der Nähe des Grand Canyon. Nachdem wir uns etwas Wärmeres angezogen haben, gehen wir in ein zünftiges Lokal mit rotweiß karierten Tischtüchern essen. Das Lokal erinnert mich, ähnlich wie das Restaurant in Cortez, an Almhütten in Tirol.
Simon und ich nehmen T-Bone-Steaks mit French fries. Orlando entscheidet sich für das Kindergericht: Spaghetti Neapolitana.
Seine Nudeln sind matschig und die Tomatensauce stammt aus einer Dose.
„Du bist selber schuld! Wir sind hier nicht in Lignano. Wie kann man nur in dieser Gegend Spaghetti Neapolitana bestellen …“, würge ich seine Raunzerei ab.
Nach dem Essen schlendern wir die Hauptstraße entlang. Orlando und ich schauen in ein paar Route-66-Souvenirshops, die noch offen haben.
Simon bleibt draußen. Er telefoniert wieder einmal.
Kaum gibt es etwas zu kaufen, vergisst Orlando seinen Frust. Er stürzt sich auf all die Kappen, T-Shirts und Schlüsselanhänger mit dem Route-66-Logo. Kauft gleich alles en gros. Ich bin gespannt, wie viel er bei unserem Rückflug fürs Übergepäck bezahlen wird. Als die Verkäuferin gerade mal nicht hinsieht, klaue ich eines der Feuerzeuge, die in einem Körbchen neben der Kasse liegen. Auf dem schwarzen Ding klebt ebenfalls das Logo der vielleicht berühmtesten Straße der USA .
Dann geselle ich mich zu Simon. Wir küssen uns unter einer Reklametafel, auf der für eine Harley Davidson geworben wird.
„Müsst ihr schon wieder schmusen?“, fragt Orlando. „Du hättest übrigens kein Feuerzeug klauen müssen, Kafka. Die bekommst du zu jedem Einkauf gratis!“ Grinsend zeigt er mir sein Route-66-Feuerzeug.
Ich löse mich höchst ungern aus Simons Umarmung. Hand in Hand kehren wir zurück in unser Motel.
Orlando beklagt sich, dass er heute allein schlafen muss.
„Du kannst dir
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