Blutiger Sand
schönen Körper, verlange, die Geschichte jeder einzelnen zu hören. Doch er schläft ein, während ich leise auf ihn einrede.
Als wir beim Frühstück Orlando treffen, strahlt er uns an.
„Habt ihr es nett gehabt?“, fragt er mich.
Ich nicke grinsend.
„Ich hatte auch eine tolle Nacht. Mit Pat. Er war gestern Abend an der Rezeption“, sagt er. „Pat ist Indianer, ein Hopi, und kennt wahrscheinlich den zweiten Mörder deiner Eltern.“
Mord in Flagstaff, Arizona, Juli 1993
Als sie aus dem BMW stieg, wussten die beiden Männer in dem Chevy sofort, dass sie es sein würde. Sie oder keine. Das bunt gemusterte Designerkleid klebte unvorteilhaft an ihrem mageren Körper. Die Sonnenbrille auf ihrer Nase hatte bestimmt ein kleines Vermögen gekostet, und die Klunker um ihren Hals und ihre Handgelenke stammten ebenfalls aus keinem Trödelladen.
Sie war nicht mehr die Jüngste, bestimmt an die vierzig, aber sie war mindestens zwanzig Jahre jünger als ihr Mann. Klein, fett, Halbglatze, Immobilienmakler oder Anwalt. Er schleppte zwei große Koffer, ein Beauty-Case und eine Umhängetasche zur Rezeption.
Sie wackelte schmollend hinter ihm her. Das Motel war eindeutig nicht nach ihrem Geschmack.
Die beiden Männer warteten, bis das Pärchen das Appartement am Ende der Anlage bezogen hatte. Dahinter gab es nichts mehr außer Wüste.
Sie nahmen das Zimmer nebenan. Warfen sich auf die lausigen Betten und machten sich zwei Bierdosen auf. Sie waren beide bester Laune. Hatten nicht mehr damit gerechnet, heute noch fündig zu werden.
Die Luft in dem tristen Zimmer war stickig. Der altmodische Ventilator an der Decke diente reinen Dekorationszwecken. Der jüngere Mann riss das Fenster weit auf, machte aber kein Licht an.
„Ernest, komm sofort hierher!“, schrie die Frau im Nebenzimmer.
Ihr Gekreische schwoll an. „Hier bleib ich keine Minute länger. Wenn du mich nicht sofort von hier wegbringst, lasse ich mich scheiden. Und dann Gnade dir Gott!“
„Die haben kein anderes Zimmer mehr frei“, hörten die Männer den alten Kerl nebenan lügen.
Wären sie imstande gewesen, Mitleid zu empfinden, hätten sie es jetzt mit diesem armen Schwein gehabt.
„Das sind nur Käfer, die spülen wir einfach in den Abfluss“, sagte Ernest.
„Cucarachas!“ Sie brüllte wie am Spieß.
Kurz darauf vernahmen die beiden Männer den Strahl einer Dusche.
Der Ältere ging ins Bad ihres Appartements. Auch dort verschwanden die rosa Kacheln fast völlig unter einer schwarzen, krabbelnden Masse. Sie kamen aus allen Löchern, aus der Klomuschel, dem Abfluss des Waschbeckens und aus den verschimmelten Ritzen zwischen den Fliesen. Auch er drehte die Dusche auf. Aber wie viel kostbares Nass er für die Tierchen auch verschwendete, er wurde der Invasion nicht Herr. Bald stand das ganze Bad unter Wasser. Das schwarze Gewurle war kaum weniger geworden.
„Scheiß Viecher“, schimpfte er. Schloss die Tür hinter sich und setzte sich wieder auf sein Bett.
Das Geschrei im Nebenzimmer hielt an. Plötzlich vernahmen sie ein lautes Klatschen. Stille. Hatte der alte Sack ihr endlich eine geschmiert?
Leises Schluchzen. „Warum schlägst du mich?“, hörten sie den Mann nebenan fragen. „Ich habe alle Polstermöbel und den Teppichboden abgesucht. Hier herinnen sind keine Käfer, so glaub mir doch. Mir ist total schwindlig. Wo sind meine Blutdruck-Pillen?“
„In der Tasche, du Hypochonder!“
„In welcher?“
„Hör auf, mich mit deinen blöden Pillen zu nerven. Ich halte es in diesem versifften Loch nicht aus. Lieber verbringe ich die Nacht im Pool“, hörten sie die Stimme der Frau von ganz nahe.
Sie stand vor ihrem Fenster, auf der kleinen Terrasse. Halbnackt, nur mit BH und Höschen bekleidet.
„Dir würde ein Bad auch nicht schaden, du stinkst erbärmlich!“ Ihre schrille Stimme fuhr ihnen durch Mark und Bein.
Die beiden Männer im Nebenzimmer versteckten sich hinter den schweren Vorhängen und beobachteten die Frau, die ihre Unterwäsche auszog, in ihren Badeanzug schlüpfte und eine durchsichtige Duschhaube über ihre toupierte Haarpracht stülpte.
„Magersüchtig. Nicht einmal gut genug zum Ficken“, murmelte der Ältere.
Der Pool war nicht beleuchtet. Trotzdem sahen sie, wie die Frau vorsichtig die Leiter hinabstieg.
„Hier ist es tief, ich kann kaum mehr stehen“, jammerte sie, als sie sich ein paar Meter vom Rand des Beckens entfernt hatte und nur mehr ihr Kopf aus dem Wasser ragte.
„Bleib, wo du bist, Baby.
Weitere Kostenlose Bücher